Zentralasien liegt am Schnittpunkt geopolitischer Interessen. Jahrzehntelang versuchten die Staaten der Region, ein Gleichgewicht zwischen Russland, China, der Türkei und dem Westen zu wahren. Kasachstan und Usbekistan gelingt dieser Balanceakt bislang. Kirgisistan dagegen droht, Schritt für Schritt zu einem Anhängsel Pekings zu werden.

Noch vor wenigen Jahren war die Skepsis gegenüber China groß. Ende 2018 und Anfang 2019 demonstrierten in Bischkek hunderte Menschen gegen chinesische Expansion und Migration. Historisch galt China den turksprachigen Völkern und dem Islam als Gegner. Teile des heutigen Kirgisistan standen bereits unter der Herrschaft der Tang-Dynastie.

Mit der Machtübernahme von Sadyr Dschaparow im Oktober 2020 änderte sich der Ton. In einem Interview erinnerte der Präsident daran, dass seine Vorfahren einst nach China fliehen mussten: „Mein Urgroßvater ging 1916 dorthin, mein Vater wurde 1932 in China geboren.“ Für manche Kritiker klang das wie ein stilles Bekenntnis zur Nähe des „großen Nachbarn“.

Schulden als Hebel

Die Zahlen sprechen für sich: 37 Prozent der Auslandsschulden Kirgisistans entfallen auf China. Fast ein Viertel der Auslandsinvestitionen stammt aus Peking, der bilaterale Handel liegt inzwischen bei über 22 Milliarden Dollar.

Im November 2024 betrug die Staatsverschuldung des Landes 6,55 Milliarden Dollar – bei einem Bruttoinlandsprodukt von nur 12,5 Milliarden. Hauptgläubiger ist die chinesische Exim Bank, der Bischkek rund 1,7 Milliarden schuldet. Schon 2023 überwies die Regierung 127 Millionen Dollar nach China, 2024 erneut den größten Teil der Schuldendienst-Tranchen.

Zwar liegt die Gesamtverschuldung bei etwa 40 Prozent des BIP – international kein alarmierender Wert. Doch im Vergleich zu Nachbarstaaten ist die Last hoch, und jeder dritte Schuldendollar bindet Kirgisistan direkt an Peking. Kritiker warnen vor der „Schuldenfalle“.

Chinesische Präsenz im Alltag

Chinas Einfluss zeigt sich längst im Stadtbild: Neubauten nach chinesischem Design lassen Bischkek zunehmend wie eine Miniatur chinesischer Metropolen wirken. Infrastrukturprojekte – von Straßen über Energieversorgung bis zum Bergbau – liegen fest in chinesischer Hand.

Im besonders sensiblen Rohstoffsektor ist die Dominanz unübersehbar. So erhielt ein chinesisches Unternehmen ohne Ausschreibung 70 Prozent an der einzigen bekannten Lagerstätte für Seltene Erden im Land. „Uns bleibt nur der Rest“, klagte jüngst der Vorsitzende der kirgisischen Geologenvereinigung, Duishenbek Kamchibekov.

Peking als neuer Patron

Ob Infrastruktur, Handel oder Schuldenpolitik – überall nimmt China die führende Rolle ein. Selbst russische und kasachische Investoren bleiben außen vor. Für viele Beobachter steht fest: Kirgisistan ist längst mehr abhängiger Partner als souveräner Akteur.


Dieser Artikel entstand in Kooperation mit unserem Partner bne intelliNews

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