Nach einer Entscheidung des Supreme Court kann das Verfahren gegen die staatlich kontrollierte türkische Halkbank wegen mutmaßlicher Umgehung der Iran-Sanktionen fortgesetzt werden. Die Aktie brach zweistellig ein.
Die Aktien der türkischen Halkbank sind am 6. Oktober an der Börse Istanbul um rund zehn Prozent gefallen. Der Grund: Der Oberste Gerichtshof der USA hat die Berufung der Bank gegen ein früheres Urteil zurückgewiesen. Damit kann das Strafverfahren wegen mutmaßlicher Verstöße gegen die Iran-Sanktionen fortgeführt werden.
Halkbank hatte argumentiert, sie sei als staatliches Institut immun gegen Strafverfolgung in den USA. Doch der Supreme Court folgte dieser Argumentation nicht. Das Urteil bedeutet, dass das Verfahren, das Bundesanwälte in Manhattan bereits 2019 eingeleitet hatten, nun weitergeht.
Milliarden an iranischen Geldern verschoben
Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft soll die Bank zwischen 2012 und 2013 Milliardenbeträge über das US-Finanzsystem geschleust haben. Auf diese Weise sollen iranische Vermögenswerte verschoben und die Sanktionen umgangen worden sein. Insgesamt geht die Anklage von rund 20 Milliarden US-Dollar aus, die über ein komplexes Netzwerk transferiert wurden. Mindestens eine Milliarde Dollar davon sei durch das amerikanische Finanzsystem geflossen – und damit klar illegal.
Für solche Verstöße drohen Strafen, die bis zum Doppelten des Transaktionsvolumens reichen können.
Erdoğan mischte sich persönlich ein
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte die Ermittlungen schon früh als „rechtswidrig“ und „hässlich“ bezeichnet. Während der Amtszeit von Donald Trump versuchte er offenbar mehrfach, das Verfahren zu beeinflussen. Medienberichten zufolge sprach Erdoğan den Fall auch bei einem Treffen mit Trump im Weißen Haus im September 2019 an.
Die 2019 erhobene Anklage deutete zudem auf mögliche Verwicklungen bis in die türkische Regierung hin. Erdoğan weist jedoch bis heute jegliches Fehlverhalten entschieden zurück. Nachdem Halkbank keine Vertreterin zu einer Anhörung geschickt hatte, stuften die Behörden das Institut zeitweise als „flüchtig“ ein.
Rückkehr auf den Kapitalmarkt – und ein herber Rückschlag
Erst im Juli war Halkbank nach neun Jahren Pause überraschend auf den Eurobond-Markt zurückgekehrt. Damit wollte sie offenbar das Vertrauen internationaler Investoren zurückgewinnen. Diese Strategie dürfte nun jedoch ins Wanken geraten, denn das Urteil des Supreme Court belastet die Bank zusätzlich.
In einer Mitteilung an die Börse Istanbul erklärte Halkbank, die Entscheidung bedeute „nicht das Ende des Gerichtsverfahrens“. Zugleich betonte sie, dass die Gespräche über eine rechtliche Einigung zwischen den USA und der Türkei „in eine positive Richtung verlaufen“.
Schlüsselfiguren des Skandals
Die Ermittlungen gegen Halkbank begannen 2016 mit der Festnahme des türkisch-iranischen Goldhändlers Reza Zarrab in Miami. Er galt als zentrale Figur des Sanktionsumgehungsnetzwerks und arbeitete später als Kronzeuge mit den US-Behörden zusammen. Heute lebt er in den Vereinigten Staaten und betreibt dort eine Pferdefarm.
Ein Jahr später nahm die US-Justiz den damaligen Halkbank-Vizedirektor Hakan Atilla fest, der zu einer Roadshow in den USA unterwegs war. Nach seiner Rückkehr in die Türkei wurde Atilla von Regierungsanhängern als Symbol für angebliche US-Verschwörungen gefeiert.
Im selben Jahr entließ Präsident Trump den New Yorker Staatsanwalt Preet Bharara, der ursprünglich die Ermittlungen gegen Halkbank leitete.
Die Halkbank gehört zu 91,5 Prozent dem türkischen Staatsfonds Türkiye Varlık Fonu (TVF). Die übrigen 8,5 Prozent werden an der Börse in Istanbul gehandelt.
Dieser Artikel entstand in Kooperation mit unserem Partner bne intelliNews