Kasachstans Präsident Kassym-Jomart Tokajew nutzte seinen Besuch bei der UN-Generalversammlung in New York für ein klares Signal: Sein Land sucht engere Wirtschaftsbeziehungen zu den USA. Doch der größte Erfolg des Besuchs – ein Milliardenvertrag mit dem US-Konzern Wabtec – steht sinnbildlich für alte Abhängigkeiten.
Der große Wabtec-Deal
Am Rande der 80. UN-Generalversammlung Ende September unterzeichnete Kasachstans Eisenbahngesellschaft Kazakhstan Temir Zholy (KTZ) einen Vertrag mit dem US-Lokomotivenhersteller Wabtec – Volumen: 4,2 Milliarden Dollar. In den kommenden zehn Jahren sollen 300 Güterzuglokomotiven der Evolution-Serie geliefert werden. Nach Angaben des US-Handelsministeriums sichert das Geschäft rund 11.000 Arbeitsplätze in Texas und Pennsylvania.
Wabtec feierte den Deal als den größten seiner Firmengeschichte. Das Projekt solle Kasachstans Eisenbahnnetz zur „Brücke zwischen Europa und Asien“ machen, sagte CEO Rafael Santana.
Trump reklamiert den Erfolg für sich
US-Handelsminister Howard Lutnick schrieb den Vertragsabschluss einem Telefonat zwischen Donald Trump und Tokajew zu. Auf seiner Plattform Truth Social jubelte der Ex-Präsident, der Deal werde die amerikanische Eisenbahn „nach Jahren falscher Umweltpolitik“ wiederbeleben.
Doch so neu ist die Partnerschaft nicht. Die Zusammenarbeit zwischen US-Unternehmen und Kasachstans Bahnsektor reicht bis in die frühen 1990er-Jahre zurück. Damals modernisierte GE Transportation die veraltete sowjetische Flotte. Seit der Übernahme durch Wabtec 2019 entstanden in Kasachstan Lokomotiven, die heute in die Mongolei, Ukraine und Moldawien exportiert werden.
Der frühere US-Vizeaußenminister Evan Feigenbaum kommentierte trocken auf X: „GE und Wabtec sind seit 20 Jahren im Geschäft mit Kasachstan. Ich hielt schon in der Bush-Regierung Reden über kasachische Lokomotiven.“
Alte Logik: Rohstoffe statt Industrie
Etwa zwei Drittel des kasachischen Gütertransports laufen über die Schiene – der Wabtec-Deal stärkt also eine zentrale Infrastruktur. Dennoch ist fraglich, ob das Abkommen mehr als ein Symbol für Stabilität ist. Während Tokajew in New York den Ausbau der wirtschaftlichen Partnerschaft lobte, bleibt die Realität: Die USA betrachten Kasachstan vor allem als Rohstofflieferant.
Ökonom Olzhas Baidildinov sagte der Times of Central Asia, Trumps Zölle auf kasachische Exporte zeigten, dass Washington keine Fertigungspartnerschaft anstrebt. „Trumps Botschaft ist klar: Produziert in den USA – oder zahlt Strafzölle.“ Amerikanische Firmen würden künftig zweimal überlegen, bevor sie in Kasachstan investieren.
Hoffnungsträger Seltene Erden
Kasachstan hofft, sich als Lieferant Seltener Erden neu zu positionieren. Eine im April entdeckte Lagerstätte bei Karaganda soll rund 20 Millionen Tonnen Erz enthalten – genug, um den US-Bedarf an Neodym-Magneten für ein Jahrzehnt zu decken.
Der Atlantic Council sieht darin eine strategische Chance für Washington: „Kasachstan hat das Potenzial, Chinas Dominanz bei kritischen Mineralien zu durchbrechen.“ Doch bislang gehen alle Exporte weiter nach China – nicht in den Westen.
Energie bleibt der Kern der Partnerschaft
Tokajew präsentierte sich in New York als verlässlicher Energiepartner. Rund 40 Prozent des weltweiten Urans stammen aus Kasachstan, ein Viertel davon fließt in die USA. Zudem unterzeichnete KazMunayGas (KMG) mit dem US-Unternehmen LanzaJet eine Vereinbarung über den Bau der ersten Anlage für nachhaltigen Flugkraftstoff (SAF) in Zentralasien.
Das Projekt soll jährlich 70.000 Tonnen Biokerosin liefern – und gilt als Signal, dass sich trotz Zöllen amerikanische Investoren weiter in Kasachstan engagieren.
Zwischen Big Tech und Agrarträumen
Tokajew nutzte seine New-York-Reise auch für Gespräche mit Amazon, Meta und OpenAI. Neue Verträge wurden nicht unterzeichnet, doch er bekräftigte bestehende Pläne wie das Kuiper-Satellitenprojekt von Amazon über 200 Millionen Dollar.
Daneben warb Tokajew für Investitionen in Landwirtschaft und Bildung: PepsiCo und Mars wollen Verarbeitungsanlagen errichten, während US-Universitäten wie Arizona oder Penn State Filialen in Kasachstan eröffnen.
Selbst die Smithsonian Institution will künftig das kasachische Kulturerbe fördern – ein Prestigeprojekt, das Tokajew ausdrücklich Chevron-Chef Michael Wirth zuschrieb.
Fazit: Kontinuität statt Aufbruch
Tokajews Besuch brachte große Zahlen und wohlklingende Versprechen. Doch jenseits des Wabtec-Deals bleibt die kasachisch-amerikanische Partnerschaft, was sie seit drei Jahrzehnten ist: eine Beziehung, die auf Energie, Rohstoffen und Symbolpolitik basiert.
Von einer echten industriellen Diversifizierung ist Kasachstan weit entfernt – und Washington scheint wenig Interesse, das zu ändern.
Dieser Artikel entstand in Kooperation mit unserem Partner bne intelliNews