Steppe Ahead Kolumne von Thorsten Gutmann

Kolumne „Steppe Ahaed“

Autor: Thorsten Gutmann

Thorsten Gutmann Zentralasien

Noch vor wenigen Jahren hätte wohl kaum jemand Kirgisistan mit Zukunftstechnologien wie Künstlicher Intelligenz oder Startups in Verbindung gebracht. Doch der kleine Binnenstaat im Herzen Zentralasiens beginnt, sich in einem globalen Wettbewerb zu positionieren, der vor allem eines verlangt: Schnelligkeit, Talent – und internationale Vernetzung.

Erste Impulse, große Ambitionen

Die kirgisische Tech-Szene ist jung. 2024 wurden erstmals sieben kirgisische Startups in globale Accelerator-Programme aufgenommen – von Google for Startups bis Antler Vietnam. Ein bedeutender Schritt für ein Land, dessen digitale Gründerszene bis vor Kurzem eher einer Wüste als einem Ökosystem glich.

Besonders im Fokus: Rückkehrer wie Tilek Mamutov, der mit Outtalent nicht nur globale Tech-Talente vermittelt, sondern seine Firma von Silicon Valley nach Bischkek in die Hauptstadt verlagert hat. Oder Behavox, gegründet von Erkin Adylov, das heute zu den führenden AI-Lösungsanbietern für Finanzdienstleister zählt – allerdings (noch) mit Sitz im Ausland.

Investitionen: Noch ein weiter Weg

Trotz vielversprechender Einzelfälle ist Kirgisistan im regionalen Vergleich weiter zurück. Während Nachbarländer wie Kasachstan oder Usbekistan 2024 zweistellige Millionenbeträge an Venture Capital einsammelten, kam Kirgisistan auf gerade einmal 1,7 Millionen US-Dollar – das ist mehr als 2023, aber weit entfernt vom globalen Maßstab.

Die Ursachen liegen auf der Hand: unzureichende Rechenleistung, mangelnde Datenverfügbarkeit, hohe Kosten für Infrastruktur. Die Weltbank bemängelt in ihrem aktuellen Länderbericht fehlende offene Daten, instabile Stromversorgung und hohe Einstiegshürden für Entwickler.

Sprache als Schlüssel zur digitalen Zukunft

Und doch: Der Wille zur Innovation ist da. Mit Unterstützung der EBRD entwickelte das Startup Ulut Soft das erste kirgisischsprachige KI-Sprachmodell. Ein kultureller wie technologischer Meilenstein, der zeigt, dass AI auch in kleinen Sprachen Raum findet – wenn die Rahmenbedingungen stimmen.

Der Staat zieht nach

Auch politisch nimmt das Thema Fahrt auf: Die kirgisische Regierung arbeitet mit der Weltbank an einer nationalen KI-Strategie. Geplant sind u. a. ein nationales AI-Zentrum, gezielte Förderung von KI-Startups, bessere Datenzugänglichkeit und Partnerschaften mit internationalen Universitäten und Unternehmen.

Das Ziel: Der Aufbau eines digitalen Ökosystems nach dem ASPIRE-Modell – mit Fokus auf Ambition, Skills, Policy, Investment, Research und Ecosystem. Noch fehlt es an fast allem – aber die Richtung stimmt.

Realität versus Vision

Ein Weltbankbericht beschreibt die aktuelle Lage poetisch: „AI reshaped the world, but in the Kyrgyz Republic, even getting started felt like hacking through a jungle with a pocketknife.“ Der Satz stammt aus einer literarischen Antwort von ChatGPT auf die Frage, wie es ist, in Kirgisistan ein KI-Startup zu gründen. Stromausfälle, fehlende Finanzierung, isolierte Entwickler – aber auch Mut, Kreativität und Hoffnung.

Fazit: Das Potenzial ist da

Kirgisistan steht am Anfang. Aber das Land beginnt, strategisch zu denken, Initiativen zu bündeln und sich international zu vernetzen. Noch ist es ein Aufholrennen. Doch wer heute genau hinschaut, erkennt: In der Region zwischen Bischkek, Dubai und Silicon Valley entsteht etwas Neues. Und Kirgisistan will dazugehören.


Quellen:

Times of Central Asia (2025): Are Innovative Industries One of the Kyrgyz Republic’s Few Opportunities to Prosper?

EBRD (2025): Kyrgyz AI start-up builds first language model to preserve local language

World Bank Blog (2025): Artificial Intelligence in the Kyrgyz Republic – A Silent Transformation in the Making?

Related Post