Während westliche Länder Zölle einführen, um ihre Automobilindustrien vor der chinesischen Elektrofahrzeugflut zu schützen, hat Zentralasien das Gegenteil getan – und seine Märkte weit geöffnet.

2024 wird bereits jedes zehnte Auto in China elektrisch betrieben. Vier von zehn weltweit exportierten Elektrofahrzeugen stammen inzwischen aus der Volksrepublik.

In Zentralasien hat dieser Boom besonders eindrucksvolle Spuren hinterlassen. Laut einer Analyse des Thinktanks Carnegie Politika („China hat Zentralasien mit Elektroautos überschwemmt – die Auswirkungen werden lange anhalten“) stiegen die chinesischen Autoexporte in die fünf zentralasiatischen Republiken von bescheidenen 750 Millionen US-Dollar im Jahr 2020 auf fast 10 Milliarden US-Dollar im Jahr 2024. Rund 1,1 Milliarden US-Dollar entfielen dabei auf Elektrofahrzeuge.

Autos machen mittlerweile etwa ein Zehntel aller chinesischen Exporte in die Region aus.

Laut den Autoren der Analyse, Temur Umarov (Carnegie Russia Eurasia Center) und Roman Vakulchuk (NUPI, Norwegen), profitiert China von einer „glücklichen Kombination von Umständen“: Die Region erlebt ein starkes Bevölkerungswachstum, während sowohl Kaufkraft als auch Fahrzeugnachfrage steigen.

Usbekistan als Vorreiter

In Usbekistan zeigt sich der Wandel besonders deutlich. Das Land führt die regionale Umstellung auf Elektrofahrzeuge an. Laut dem „Global EV Outlook 2025“ der Internationalen Energieagentur (IEA) hat sich der Absatz von E-Autos dort zwischen 2023 und 2024 verdoppelt, während der durchschnittliche Importpreis auf ein Drittel fiel.

Offizielle Handelsdaten belegen, dass Usbekistan in den ersten acht Monaten 2025 knapp 29.000 Elektrofahrzeuge importierte – mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr. Die Importausgaben stiegen von 166,7 auf 358,9 Millionen US-Dollar. Die landesweite E-Fahrzeugflotte wuchs bis Juli auf 73.600 Fahrzeuge, ein Plus von 8.400 seit April.

Auch die Ladeinfrastruktur wächst rasant: Bis Mai 2025 waren im Land 1.399 Ladestationen in Betrieb – doppelt so viele wie ein Jahr zuvor, davon 820 in der Hauptstadt Taschkent.

Wachsende Motorisierung

In allen zentralasiatischen Staaten – mit Ausnahme des ärmeren Tadschikistan – gibt es inzwischen über 100 Autos pro 1.000 Einwohner. Kasachstan liegt mit 308 Fahrzeugen pro 1.000 Einwohner fast gleichauf mit Russland (331).

Zudem fungiert die Region zunehmend als Reexportzentrum: Nach dem Rückzug westlicher Hersteller aus Russland im Jahr 2022 werden viele chinesische Fahrzeuge über Kirgisistan nach Russland geliefert. Da dortige Zölle rund dreimal niedriger sind als in Russland, ist Kirgisistan seit 2022 nach China der zweitgrößte Autolieferant Russlands – obwohl es keine eigene Autoindustrie besitzt.

Subventionen und Strategien

Peking unterstützt seine Hersteller mit Subventionen und Steuervergünstigungen, um den Absatz im In- und Ausland zu fördern. Einige Unternehmen greifen zu kreativen Strategien – etwa dem Verkauf neuer Fahrzeuge als „gebraucht“, um Preisvorteile zu erzielen.

Dank dieser massiven Förderung hat der chinesische Hersteller BYD Tesla als größten Elektroautoanbieter der Welt überholt.

In Usbekistan stammen 99 Prozent der importierten E-Autos aus China. In Kasachstan wachsen die Verkäufe chinesischer Marken jährlich um 50 Prozent – auf Kosten von Herstellern wie Hyundai, Kia und Chevrolet.

Smog und Strategie

Der Boom hat auch ökologische Gründe: In Städten wie Taschkent, Bischkek, Almaty und Duschanbe ist die Luftverschmutzung hoch. Viele Käufer sehen Elektrofahrzeuge daher als saubere Alternative. In Tadschikistan sind E-Autos bis 2032 von Steuern und Einfuhrzöllen befreit.

* Fußnoten zum obigen IEA-Diagramm finden Sie im Quellbericht.

BYD spielt seine Karten geschickt: Ein Jahr nach Eröffnung seines Werks im usbekischen Jizzakh – dem ersten außerhalb Chinas – setzte sich der Konzern für eine Vervierfachung der Recyclinggebühr auf importierte E-Autos ein. Da BYD selbst von dieser Gebühr befreit ist, genießt das Unternehmen de facto ein Monopol auf dem usbekischen Markt.

Abhängigkeit vom Nachbarn

Laut Umarov und Vakulchuk haben die zentralasiatischen Staaten ihre Versuche aufgegeben, sich technologisch von China zu entkoppeln. Chinas technologische Dominanz zwinge sie zunehmend, sich in das chinesische Ökosystem zu integrieren – von Ladeinfrastruktur über Wartung bis hin zu Batterieentsorgung und autonomen Fahrsystemen.

„Elektroautos sind nicht nur eine Alternative zu Verbrennern“, schreiben die Autoren. „Sie markieren die nächste Entwicklungsstufe einer Branche, die völlig neue Technologien hervorbringen wird.“

Türkei im Zugzwang

Zentralasien dürfte nicht die letzte Region bleiben, die sich der chinesischen E-Auto-Dominanz beugt.

Die Türkei etwa hat mit dem Togg ein eigenes Elektroauto entwickelt, doch chinesische Hersteller drängen auch dort auf den Markt. 2025 wurden in den ersten sieben Monaten über 100.000 vollelektrische Fahrzeuge verkauft – ein Plus von 147 Prozent. Ankara reagierte mit Zöllen von 50 Prozent auf chinesische Importe, gewährte jedoch BYD eine Ausnahme, da das Unternehmen in der Türkei produziert.

Sind die Tage der Togg gezählt? (Quelle: Metuboy, cc-by-sa 4.0).

Das neue BYD-Werk in Manisa soll bald 150.000 Fahrzeuge pro Jahr fertigen – eine Bedrohung für den heimischen Hersteller Togg. „In einem solchen Markt könnten sie kaum überleben“, sagte der Wirtschaftswissenschaftler Cagdas Ungor von der Marmara-Universität dem Economist.

Der „Elektro-Yuan“

Ökonomen sehen in dieser Entwicklung noch eine weitere Dimension: Die Kombination aus chinesischer Technologieexpansion und wachsendem Energiebedarf könnte zur weiteren Internationalisierung des Yuan führen.

So wickelte ein chinesisches Unternehmen 2023 ein 500-Megawatt-Windkraftprojekt in Usbekistan erstmals in Renminbi ab. Einige Beobachter sprechen bereits vom möglichen Aufstieg eines „Elektro-Yuan“ – analog zum „Petrodollar“ der 1970er-Jahre.

Wie damals der Ölhandel die Dominanz des US-Dollars stärkte, könnte ein auf den Yuan lautender Handel mit grünem Strom den Einfluss Pekings im globalen Finanzsystem ausweiten – möglicherweise, so Reuters, „Xi Jinpings größter Triumph über den Westen“.


Dieser Artikel entstand in Kooperation mit unserem Partner bne intelliNews

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