Nach einer aktuellen Analyse von S&P Global Ratings schneidet Aserbaidschan bei der fiskalischen Transparenz besser ab als viele Volkswirtschaften der Region – einschließlich mehrerer Staaten des Golf-Kooperationsrats. Der staatliche Ölfonds SOFAZ veröffentliche regelmäßig geprüfte Berichte mit Angaben zu Vermögensstruktur, Anlagestrategie und Performance. Dennoch bleibe die Gesamtgröße der Staatsvermögen im Vergleich zu den gigantischen Reserven der wichtigsten GCC-Länder moderater.
Die Nettofinanzposition des Landes zählt laut S&P zu den zentralen Stärken der aserbaidschanischen Kreditwürdigkeit. Dank robuster Außenhandelsbilanzen und niedriger Verschuldung erwartet die Agentur, dass die konsolidierten Nettofinanzaktiva des Staates bis 2028 bei über 50 Prozent des BIP liegen werden. Berücksichtigt werden dabei ausschließlich die hochliquiden Auslandsanlagen des Ölfonds; weniger liquide Bestandteile, die 2024 auf rund zehn Prozent des BIP geschätzt wurden, bleiben außen vor.
Wirtschaft wächst moderat weiter
Auch wirtschaftlich traut S&P dem Land moderates Wachstum zu: Das BIP pro Kopf soll von 7.800 US-Dollar im Jahr 2026 auf 8.600 US-Dollar im Jahr 2028 steigen, während das nominale BIP im gleichen Zeitraum von 80,7 auf 89,6 Milliarden US-Dollar zunehmen dürfte. Getragen wird die positive Einschätzung insbesondere von den soliden Devisenreserven des Ölfonds, die dem Land eine hohe Widerstandsfähigkeit gegenüber externen Schocks verleihen.
Die Ratingagentur geht zudem davon aus, dass Aserbaidschans liquide Auslandsvermögen die Auslandsschulden bis mindestens 2028 übersteigen werden. Die Nettoauslandsposition dürfte sich im Zeitraum 2025 bis 2028 bei rund 76 Prozent des BIP stabilisieren. Trotz der Abhängigkeit von volatilen Kohlenwasserstoffpreisen mildern die großen Auslandsreserven mögliche Schocks spürbar ab. Für den Leistungsbilanzüberschuss prognostiziert S&P im Schnitt der kommenden Jahre rund drei Prozent des BIP; erst 2028 könnte ein kleines Defizit entstehen.
Auch politisch sieht die Agentur Fortschritte: Der Friedensprozess mit Armenien habe sich deutlich verbessert. Die Washingtoner Erklärung vom August 2025 reduziere kurzfristige Konfliktrisiken, und die für 2026 geplanten Kürzungen der Verteidigungshaushalte beider Länder erhöhten das Vertrauen in den Kurs der Deeskalation. Allerdings fehle bislang ein umfassender, rechtsverbindlicher Friedensvertrag. Zentraler Streitpunkt bleibt Aserbaidschans Forderung, Armenien solle verfassungsrechtliche Formulierungen streichen, die Territorialansprüche auf Bergkarabach implizieren.
Offene Fragen bei regionalen Verkehrsverbindungen
Auch beim Ausbau regionaler Transportkorridore bestehen weiterhin umstrittene Punkte – etwa Sicherheitsprotokolle, Zollformalitäten und die Priorisierung der Infrastrukturprojekte. Dennoch sieht S&P ein deutlich gesunkenes Risiko eines großflächigen Konflikts, auch wenn innenpolitische Spannungen den Prozess jederzeit zurückwerfen könnten.
Währungspolitisch erwartet S&P, dass die Regierung den Wechselkurs von 1,70 Manat pro US-Dollar beibehält. Die Zentralbank stabilisiert den Markt durch regelmäßige Interventionen; ihre Devisenreserven lagen Ende Oktober 2025 bei 11,4 Milliarden Dollar – ausreichend für vier Monate laufender Auslandszahlungen. In einem länger anhaltenden Niedrigölpreisumfeld sei jedoch eine kontrollierte Anpassung nicht ausgeschlossen.
Inflation gedämpft, aber Spielraum begrenzt
Das starre Wechselkurssystem hält die Inflation zwar niedrig, schränkt jedoch die Flexibilität der Geldpolitik ein. Der Anteil von Dollareinlagen fiel von 55 Prozent vor der Pandemie auf 29 Prozent – ein Effekt höherer Manat-Zinsen und Wechselkursstabilität. Bei steigendem Marktdruck könnte die Dollarquote jedoch wieder rasch zunehmen, warnt S&P.
Die Agentur verweist auf die laufenden Finanzmarkt-Reformen der Strategie 2024–2026: die Einführung von Basel III, risikobasierte Aufsicht, mehr Transparenz und makroprudenzielle Instrumente. Trotz wachsender Einlagenbasis bleibt die Dollarisierung im Bankensektor höher als bei Krediten – ein strukturelles Währungsrisiko.
S&P bestätigte Aserbaidschans Bonitätsbewertungen (BB+/B) und hob den Ausblick vor dem Rückzug durch die Regierung von stabil auf positiv an. Grundlage waren Fortschritte im Friedensprozess, sinkende Konfliktrisiken und ein weiterhin solides außenwirtschaftliches Fundament.
Symbolische Fortschritte in der regionalen Normalisierung
Besondere Bedeutung misst S&P der Washingtoner Erklärung vom 8. August 2025 bei, die gegenseitige Anerkennung, Grenzziehung und die Wiederöffnung regionaler Transportwege festschreibt. Als Zeichen wirtschaftlicher Normalisierung nennt die Agentur den ersten Transit einer kasachischen Weizenlieferung nach Armenien seit 30 Jahren – ein politisch wie wirtschaftlich symbolträchtiger Schritt.
Ein negativer Ausblick wäre möglich gewesen, wenn sich fiskalische Kennzahlen verschlechtert oder Energieeinnahmen stark zurückgegangen wären. Anhaltend starke Haushalts- und Außenhandelsüberschüsse sowie weitere Fortschritte im Verhältnis zu Armenien könnten dagegen künftig eine erneute Verbesserung der Bewertung begünstigen.
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