Autor: Ben Aris, Chefredakteur bne Intellinews


Als Kaja Kallas ihr Amt als EU-Außenbeauftragte übernahm, warnte sie vor einer gefährlichen Spaltung zwischen den USA und Europa. Die Ukraine könne zum Auslöser werden, wenn Washington und Brüssel ihren Kurs nicht abstimmen. Nun werfen Kritiker ihr vor, diesen Bruch selbst vertieft zu haben. Denn ausgerechnet während der ersten ernsthaften Friedensgespräche ist Europa kaum beteiligt.

Wie bne IntelliNews berichtet, hat sich der Graben in den vergangenen Tagen erweitert. Die USA und Russland lehnten zentrale Punkte der europäischen Vorschläge ab. Der 19-Punkte-Plan der EU sowie eine Entschließung des Europäischen Parlaments gelten aus Sicht beider Seiten als unrealistisch. Forderungen wie eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine oder die Stationierung westlicher Truppen seien für Moskau inakzeptabel. Sie enthielten zudem kaum Ansätze für Kompromisse. In der Folge wurde Europa nicht in die Gespräche über den neuen, nun verhandelten 27-Punkte-Plan einbezogen.

Kallas‘ harte Linie stößt in Washington auf Widerstand

Kallas vertritt seit Jahren einen ausgesprochen harten Kurs gegenüber Russland. Dieser orientiert sich an den sicherheitspolitischen Erfahrungen der baltischen Staaten. Doch ihre strikte Ablehnung jedes Dialogs sorgt zunehmend für Irritationen – besonders in Washington. Die US-Regierung verfolgt unter Präsident Donald Trump einen pragmatischeren Ansatz. So lockerte das Weiße Haus zuletzt Sanktionen gegen russische Firmen, weil die Gespräche an Fahrt gewannen. Kallas dagegen beharrt auf einer maximalistischen Linie. Aus Sicht einiger amerikanischer Regierungsvertreter führt dies zu einer „Estonisierung“ der EU-Außenpolitik und damit zu Konflikten mit US-Interessen.

Am 5. Dezember veröffentlichte Washington seine neue Nationale Sicherheitsstrategie. Darin wird die EU deutlich kritischer bewertet als bisher. Das Dokument beschreibt Europa nicht länger als zentralen Partner, sondern als Block mit wirtschaftlichen Problemen und politischen Blockaden. Diese Linie knüpft an die viel diskutierte Rede von Vice-Präsident Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz an. Dort hatte er die EU scharf kritisiert – für ihre Migrationspolitik, ihre politischen Schwächen und ihre Abhängigkeit von US-Sicherheitsgarantien.

Auch innerhalb der EU wächst der Widerstand gegen Kallas’ Kurs. Bei einem Treffen in Brüssel soll sie wegen ihrer Haltung zur Nutzung eingefrorener russischer Vermögen gerügt worden sein. Kallas fordert, diese Gelder zur Absicherung eines Reparationskredits für die Ukraine zu verwenden. Doch sowohl die EZB als auch der IWF warnen vor rechtlichen Risiken und möglichen Nebenwirkungen für die Finanzmärkte. Mehrere EU-Staaten, darunter Belgien und Ungarn, lehnen den Vorschlag ab.

In westlichen Medien mehren sich kritische Stimmen. Der Telegraph schrieb, dass Kallas’ harte Linie die Ukraine nicht stärke, sondern Europa von Verhandlungen ausschließe.


Dieser Artikel entstand in Kooperation mit unserem Partner bne intelliNews

Related Post