Steppe Ahead Kolumne von Thorsten Gutmann

Steppe Ahead – Die Zentralasien-Kolumne

Autor: Thorsten Gutmann

Thorsten Gutmann Zentralasien

In Zentralasien bahnt sich ein bemerkenswerter Schritt wirtschaftlicher Integration an. Die kasachische Halyk Bank, das größte Finanzinstitut des Landes, beteiligt sich mit 49 Prozent am usbekischen Fintech-Unternehmen Click – einem der führenden digitalen Zahlungsanbieter der Region.

Im Gegenzug übernehmen die Click-Gesellschafter ebenfalls 49 Prozent an Halyks usbekischer Tochtergesellschaft Tenge Bank. Die Bewertungen: 176,4 Millionen US-Dollar für den Click-Anteil, 60,76 Millionen US-Dollar für den Tenge-Anteil. Das Gesamtvolumen der Transaktion beläuft sich somit auf etwa 237 Millionen US-Dollar – ein Rekord für Usbekistans privaten Technologiesektor.

Click ist mit über 20 Millionen aktiven Nutzern ein zentraler Treiber der digitalen Transformation in Usbekistan. Die firmeneigene Super-App vereint Zahlungsdienste, staatliche Services und Online-Shopping in einer Plattform. Im Geschäftsjahr 2024 konnte das Unternehmen den Umsatz um 35,3 Prozent und den Gewinn um 37,5 Prozent steigern. Die Bewertung liegt aktuell bei rund 360 Millionen US-Dollar.

Die Kooperation zwischen Halyk und Click ist auf eine langfristige strategische Partnerschaft ausgerichtet. Beide Unternehmen bleiben rechtlich unabhängig, wollen jedoch Technologien, Infrastruktur und Marktpräsenz miteinander verzahnen. Gemeinsam verfügen sie über eine Kundenbasis von über 32 Millionen Menschen – in einer Region mit insgesamt 58 Millionen Einwohnern und etwa 2,6 Millionen kleinen und mittleren Unternehmen.

Geopolitischer Kontext

Die Bedeutung dieses Deals reicht über den Finanzsektor hinaus. Er ist Teil eines größeren wirtschaftspolitischen Wandels in Zentralasien, der seit dem Amtsantritt von Präsident Schawkat Mirsijojew im Jahr 2016 spürbar an Dynamik gewonnen hat. Länder wie Usbekistan und Kasachstan setzen zunehmend auf Marktöffnung, Digitalisierung und wirtschaftliche Diversifizierung – mit dem Ziel, die strukturelle Abhängigkeit von Russland und China zu verringern. Der Krieg in der Ukraine hat diese strategische Neuausrichtung zusätzlich beschleunigt.

Die Verbindung zwischen Halyk und Click ist nicht die erste ihrer Art, aber sie ist die bislang bedeutendste. Sie folgt auf frühere, gescheiterte Fusionsversuche – etwa zwischen Click und dem russischen Anbieter Uzum im Jahr 2023 – und nutzt den entstandenen Spielraum für neue Allianzen. Seit der Gründung der Tenge Bank im Jahr 2018 verfolgt Halyk eine klare Expansionsstrategie in Usbekistan, die nun in eine institutionalisierte Partnerschaft übergeht.

Der Deal festigt zudem die wirtschaftliche Achse zwischen Astana und Taschkent, die bereits durch gemeinsame Großprojekte wie die Trans-Afghanische Eisenbahn, bilaterale Energieabkommen und multilaterale Formate wie die C5+1-Initiative der USA gestärkt wurde. Nicht zu unterschätzen ist auch der Einfluss wirtschaftspolitischer Eliten – etwa über die Kulibayev-Familie, die Halyk nahesteht und deren politische Netzwerke bis in die höchsten Kreise der Region reichen.

Bewertung und Ausblick

Diese Fusion ist mehr als ein reiner Unternehmensdeal – sie ist ein Indikator für den digitalen und ökonomischen Wandel Zentralasiens. Vor allem in Usbekistan, wo bis zu 40 Prozent der Bevölkerung bislang keinen Zugang zu klassischen Bankdienstleistungen haben, bietet Click enormes Potenzial zur finanziellen Inklusion. Grenzüberschreitende Zahlungen könnten künftig deutlich einfacher abgewickelt werden – nicht nur zwischen Unternehmen, sondern auch für Konsumenten.

Technologisch bringt Halyk zudem Erfahrung in Bereichen wie Mobile Banking, Blockchain-Lösungen und digitalem Identitätsmanagement mit, was auch Usbekistans Behörden und Wirtschaft zugutekommen könnte. Dennoch sind die Herausforderungen erheblich: Usbekistans regulatorisches Umfeld ist restriktiv, staatliche Kontrolle über Finanzströme bleibt hoch, und digitale Infrastrukturen außerhalb der Großstädte sind nach wie vor unterentwickelt. Auch Cyberrisiken und mangelnde Transparenz könnten der Umsetzung im Wege stehen.

Beobachter und Marktanalysten sprechen dennoch bereits von einem „landmark fintech investment“ – ein Signal, das über die Region hinaus Beachtung findet. Der Deal könnte Vorbild werden für ähnliche Projekte im E-Commerce, digitalen Regierungsdiensten oder Zahlungsverkehr.

Der langfristige Erfolg hängt jedoch maßgeblich davon ab, ob wirtschaftliche Expansion mit lokaler Integration und fairen Wettbewerbsbedingungen verbunden werden kann. Regierungen sind gefragt, klare Regeln zu schaffen. Unternehmen wie Halyk tragen Verantwortung – nicht nur für Rentabilität, sondern auch für Nachhaltigkeit und Vertrauen.

Ob diese Fintech-Partnerschaft ein Meilenstein der digitalen Transformation wird – oder lediglich ein weiterer Stein im geopolitischen Mosaik Zentralasiens bleibt –, wird sich erst noch zeigen.

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