Ende August 2025 finalisierten der staatliche Energiekonzern PKN Orlen und Synthos Green Energy eine entscheidende Vereinbarung: Ihre gemeinsame Tochtergesellschaft OSGE erhält den Rahmenvertrag für den Bau des ersten Small Modular Reactor (SMR) in Polen. Der Reaktor vom Typ BWRX-300 des US-Herstellers GE Vernova/GE Hitachi soll in der Stadt Włocławek entstehen – als erstes Projekt dieser Art in Europa. Damit setzt Polen ein starkes Signal für den Einstieg in eine klimafreundliche, unabhängige Energieversorgung.
Der Deal sieht eine paritätische 50:50-Struktur zwischen Orlen und Synthos vor. Alle drei Jahre wechselt die Leitung von OSGE, um ausgewogene Kontrolle zu sichern. Zudem wurde ein Lizenzabkommen unterzeichnet, das den Zugang zur US-Technologie sichert. Orlen übernimmt die Projektsteuerung vor Ort und bündelt dafür Ressourcen in einer eigenen Gesellschaft.
Standorte, Ziele und Zeitplan bis 2035
Bereits 2023 hatte OSGE sieben mögliche Standorte für SMR-Reaktoren ausgewählt, darunter neben Włocławek auch Ostrołęka, Nowa Huta und Dąbrowa Górnicza. Für Włocławek und Ostrołęka erteilte das Klimaministerium 2023 die erste Genehmigung, um Umwelt- und Standortstudien zu starten. Das Ziel: Bis 2035 sollen mindestens zwei Reaktoren mit zusammen 0,6 Gigawatt Leistung ans Netz gehen. Langfristig plant OSGE sogar den Bau von bis zu 24 Reaktoren an sechs Standorten, ein massiver Schritt zur Dekarbonisierung der polnischen Energieversorgung.
Der BWRX-300 gilt als besonders sicher: Im Notfall kann er sich sieben Tage lang ohne Eingriff kühlen. Gleichzeitig sind Bauzeit und Kosten geringer – im Vergleich zu klassischen Großreaktoren um bis zu 60 Prozent weniger. Experten gehen von 24 bis 36 Monaten Bauzeit aus. Damit bietet die Technologie eine schnelle und flexible Möglichkeit, den steigenden Strombedarf zu decken.
Internationale Kooperation und neue Anwendungsfelder
Polen setzt auf internationale Partnerschaften. Mit Ontario Power Generation aus Kanada besteht eine enge Zusammenarbeit bei Genehmigungen, Betrieb und Sicherheit. Erste Erfahrungen aus Kanada sollen in die polnischen Projekte einfließen. Zudem prüft OSGE neue Einsatzfelder: So könnte die Abwärme der Reaktoren für Fernwärme genutzt werden. Auch Polens boomende Rechenzentrumsbranche – deren Strombedarf bis 2030 um mehr als 1.000 Megawatt steigen soll – könnte künftig mit Atomstrom aus SMRs versorgt werden.
Mit dem Projekt in Włocławek zeigt Orlen, dass Polen beim Thema kleine modulare Reaktoren in Europa eine Vorreiterrolle einnehmen will. Der Bau des ersten BWRX-300 ist nicht nur ein technologischer Meilenstein, sondern auch Teil einer umfassenden Strategie, die nationale Energiesicherheit zu stärken, CO₂-Emissionen zu senken und neue Wachstumsfelder für die Wirtschaft zu eröffnen.