Die rapide Verflachung des Kaspischen Meeres habe sich zu einer internationalen Krise entwickelt, warnte Kasachstans Präsident Kassym-Schomart Tokajew in seiner Rede zur Lage der Nation am 8. September. Er forderte dringende gemeinsame Maßnahmen im Rahmen eines zwischenstaatlichen Reaktionsprogramms.
Seit Beginn der 2000er Jahre sinkt der Pegel des Kaspischen Meeres kontinuierlich. In diesem Sommer fiel er erstmals unter 29 Meter über dem globalen Meeresspiegel – ein historischer Tiefstand. Besonders betroffen ist das nördliche Becken, das Russland und Kasachstan teilen. Dort trocknet das Wasser am schnellsten aus, weil die Wolga, Europas längster Fluss, weniger Zuflüsse führt. Hält der Trend an, könnten zentrale Schifffahrtsrouten für den Güterverkehr unpassierbar werden.
Eine Lösung hängt maßgeblich von Russland ab – was angesichts des Krieges in der Ukraine kompliziert ist. Mehr als 80 Prozent des Wassers im Kaspischen Meer stammen aus der Wolga, die in Russland stark reguliert wird. Zahlreiche Staudämme halten Wasser für Energiegewinnung, Landwirtschaft und Industrie zurück. Zusätzliche Ableitungen über den Wolga-Don-Kanal verschärfen die Lage weiter.
„Die Notwendigkeit, ein zwischenstaatliches Programm zum Schutz des Kaspischen Meeres zu entwickeln, ist gereift“, sagte Tokajew. Die Krise betreffe nicht nur die fünf Anrainerstaaten – Kasachstan, Russland, Iran, Aserbaidschan und Turkmenistan – sondern erfordere eine breitere internationale Beteiligung.
Eindeutige wissenschaftliche Erkenntnisse gibt es bislang nicht. Doch vieles deutet darauf hin, dass auch klimabedingte Veränderungen bei Niederschlägen den Wasserstand belasten. In der Diskussion tauchen zudem unkonventionelle Vorschläge auf: So brachte ein aserbaidschanisches Unternehmen den Bau eines 700 Kilometer langen Kanals ins Spiel, der das Schwarze Meer mit dem Kaspischen verbinden soll.
Tokajew erklärte, er habe bei seinem jüngsten Besuch in China die Gründung einer internationalen Organisation zur Rettung des Kaspischen Meeres angeregt.
Der Präsident sprach auch die Probleme der heimischen Wasserversorgung an. In Kasachstan gingen bei Bewässerung und Kanalisation 50 bis 60 Prozent der Ressourcen verloren, zudem beruhe die Planung auf veralteten Methoden. Tokajew forderte deshalb den Aufbau einer einheitlichen, KI-gestützten Plattform zur Überwachung und Steuerung des Wasserhaushalts – Grundlage einer langfristigen nationalen Strategie.
Umweltschutz, betonte er, müsse Teil der nationalen Identität werden. Als Beispiel nannte er die Kampagne „Taza Kazakhstan“, in deren Rahmen seit 2024 bereits 860.000 Hektar Land gerodet und mehr als vier Millionen Bäume gepflanzt wurden. Nachhaltige Maßnahmen könnten Kasachstan, so Tokajew, zu „einem wirklich grünen Land, einem inspirierenden Beispiel und einem wertvollen Erbe für kommende Generationen“ machen.
Dieser Artikel erschien zuerst in englischer Sprache bei unserem Kooperationspartner bne intelliNews