Die Geoökonomie-Kolumne „ZEITZEUGE“
Autor: Alexander Rahr


Die Weltwirtschaft steht vor einer dramatischen Zäsur. Der Westen könnte schon in diesem Monat neue Sanktionen gegen Russland verhängen. Da die alten Sanktionspakete die russische Wirtschaft kaum beeinträchtigten, wollen USA und EU jetzt zum äußersten Instrument greifen – und verschärft, zielgerecht, Sanktionen gegen solche Drittländer einführen, die weiterhin Handel mit Russland treiben. Gemeint sind Führungsmächte des Globalen Südens – China, Indien und die Türkei, die alle weiterhin ihre lebensnotwendigen Rohstoffe aus Russland beziehen.

Westliche Sanktionen, bzw. Strafzölle gegen die BRICS Staaten sind aber ein Bumerang, der nicht die Zielländer der Sanktionen, sondern westliche Volkswirtschaften treffen und beschädigen wird. Auf dem Spiel stehen die letzten Reste einer funktionierenden globalen Wirtschaftsordnung. Resultat der Sanktionen und Strafzölle gegen den Globalen Süden, der geoökonomisch den Westen längst überholt hat, wird eine Zweiteilung der Weltwirtschaft sein, schlimmstenfalls ein globaler Wirtschaftskrieg, den die Welt so noch nicht erlebt hat. Man kann nicht Länder, die mehr als die Hälfte der Menschheitsbevölkerung ausmachen, sanktionieren. Das wäre die Hybris par excellence.

US-Präsident Donald Trump ist sich dieser Risiken durchaus bewusst. Deshalb erklärte er, Sanktionen gegen Russlands Unterstützer nur dann einzuführen, wenn die EU ihm folgt. In Brüssel überlegt man, was zu tun ist. Eigentlich überwiegt in den europäischen Hauptstädten die Moral: alles muss getan werden, um Russland in der Ukraine zum Rückzug zu bewegen, auch wenn die getroffenen Massnahmen dem Westen schaden. Die Amerikaner denken pragmatischer und doppelgleisiger. In Washington weiss man, dass die harte Gegenreaktion der Länder des Globalen Südens die Europäer, kaum die US Wirtschaft, treffen wird. Denn die USA sind weniger von Rohstoffeinfuhren aus China, Russland und Indien angewiesen.

So wie es aussieht, werden die USA die Sanktionen nicht einführen. Die EU schon. Die EU würde ihr Gesicht im Westen verlieren, falls sie sich zum Rückzug in der Ukraine-Unterstützung entschliesst. Für Europa bedeutet dies, dass der Wirtschaftskrieg nicht nur gegen Russland, sondern auch gegen China, Indien und den NATO-Partner Türkei geführt werden muss – mit unübersehbaren Folgen für das eigene Wohlergehen. Erschwerend kommt für die EU hinzu, dass es sich faktisch auch in einem Zollstreit mit den USA befindet, der die Deindustrialisierung Europas nur beschleunigt.

Vermutlich wird auch die EU davon abschrecken, den totalen Wirtschaftskrieg mit dem Globalen Süden zu führen. Das 19. Sanktionspaket wird Drohungen, aber keine direkten Sanktionen gegen China erhalten. Strafen gegen Russland werden im humanistischen Bereich verhängt: Visa-Sperren, Grenzsperrungen Richtung Belarus und Russland, Verbote von Kulturveranstaltungen, weiteres Einfrieren von russischem Geld im Westen, weitere massive Eingrenzung des Zahlungsverkehrs mit Russland.

Der Ukraine-Krieg wird dann enden, wenn eine der Seiten wirtschaftlich so geschwächt ist, dass sie die Kriegswirtschaft nicht mehr stemmen kann. Westliche Politiker sind überzeugt, dass die russische Wirtschaft früher oder später wegen der hohen Inflation aufgrund der Mangelwirtschaft zusammenbricht. In Russland erwartet man eine Verschärfung der wirtschaftlichen Systemkrise in Deutschland, Frankreich und anderen EU-Staaten.

Ausser den USA, scheinen alle Konfliktparteien auf einen eigenen Sieg im Ukraine-Krieg zu setzen, dabei benötigt gerade die Ukraine sofortigen Frieden, um den notwendigen wirtschaftlichen Wiederaufbau mit internationaler Hilfe zu starten.

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