Aserbaidschan hat eine neue Strategie für die Jahre 2026 bis 2029 vorgelegt, mit der das Land seine digitale Wirtschaft gezielt ausbauen und die Abhängigkeit vom Öl- und Gassektor weiter reduzieren will. Die Regierung beschreibt die Digitalisierung als zentralen Hebel für Produktivitätsgewinne, institutionelle Modernisierung und wirtschaftliche Diversifizierung.
Der strategische Rahmen positioniert die digitale Transformation als einen der wichtigsten Wachstumsmotoren jenseits des Energiesektors. Zugleich unterstreicht Baku den Anspruch, sich langfristig als physischer und digitaler Knotenpunkt zwischen Europa und Asien zu etablieren.
Digitalisierung als Antwort auf strukturelle Herausforderungen
Die Strategie entsteht vor dem Hintergrund sinkender ausländischer Direktinvestitionen, zunehmender Konkurrenz entlang des Mittleren Korridors und begrenzter Produktivitätszuwächse im Nicht-Öl-Sektor. Die Regierung argumentiert, dass Digitalisierung inzwischen nicht nur Effizienzgewinne ermögliche, sondern auch für den Ausbau staatlicher Steuerungs- und Analysekapazitäten unverzichtbar sei.
Das Dokument listet mehr als ein Dutzend Reform- und Investitionsvorhaben auf. Sie reichen von Cloud-Infrastruktur, Breitbandausbau und Cybersicherheit über künstliche Intelligenz und Datenanalyse bis hin zur Digitalisierung industrieller Prozesse und öffentlicher Dienstleistungen.
Solide Basis, aber deutliche Defizite
Nach Regierungsangaben trägt die digitale Wirtschaft derzeit 2,8 Prozent zum Nicht-Öl-BIP bei und beschäftigt rund zwei Prozent der Arbeitskräfte im Dienstleistungssektor. Telekommunikations- und IKT-Dienstleistungen machen 1,7 Prozent der nicht-ölbezogenen Dienstleistungsexporte aus. Mit einer Internetdurchdringung von über 88 Prozent verfügt das Land über eine vergleichsweise breite Nutzerbasis.
Die Strategie verweist auf bereits geschaffene Grundlagen: eine staatliche Cloud-Infrastruktur, einheitliche Informationssysteme und den Ausbau der Breitbandversorgung im Rahmen des Programms „Online-Aserbaidschan“. Diese Maßnahmen hätten den Ausbau digitaler Behördendienste und die Konsolidierung staatlicher Datensätze ermöglicht.
Gleichzeitig benennt das Dokument strukturelle Schwächen. Dazu zählen Defizite bei der Datenqualität, begrenzte Analysekapazitäten, Fachkräftemangel, uneinheitliche Technologienutzung in Unternehmen sowie mangelnde Interoperabilität staatlicher Systeme. Um diese Lücken zu schließen, sollen öffentlich-private Partnerschaften ausgebaut und ausländisches Kapital gezielter mobilisiert werden.
Infrastruktur, KMU und neue Technologien im Fokus
Ein Schwerpunkt liegt auf dem weiteren Ausbau der digitalen Infrastruktur. Hochgeschwindigkeitsanschlüsse wie GPON und FTTH gelten als Voraussetzung für flächendeckende digitale Dienste. Parallel plant die Regierung Investitionen in nationale Rechenzentren, die Modernisierung der Government Cloud und sichere, integrierte Informationssysteme.
Das Wirtschaftsministerium soll zwischen 2026 und 2029 eine zentrale Plattform für digitale Lösungen aufbauen. Sie soll Anbieter registrieren und Unternehmen bei der digitalen Transformation unterstützen. Bis zum Ende des Zeitraums sollen 20 Prozent der teilnehmenden Unternehmen ihre Umstellung abgeschlossen haben.
Für kleine und mittlere Unternehmen ist ein spezielles Förderprogramm vorgesehen, das Zuschüsse und zinsgünstige Kredite bereitstellt. Als Vorbild dient das singapurische Programm „Go Digital“. Ein weiteres Technologiezentrum soll Schulungen anbieten und Produktivitätsgewinne von bis zu 30 Prozent in ausgewählten Branchen ermöglichen.
Daten, KI und digitale Zwillinge
Die Strategie misst der datenbasierten Politikgestaltung besondere Bedeutung bei. Geplant ist die Integration mehrerer großer Datenbanken sowie der Aufbau eines Analyse-Systems zur wirtschaftlichen Steuerung. Ministerien sollen künftig regelmäßig datenbasierte Berichte vorlegen.
Darüber hinaus sieht der Plan die Entwicklung eines generativen KI-Modells für die aserbaidschanische Sprache vor. Das Modell soll auf einem nationalen digitalen Korpus basieren und zunächst in staatlichen Einrichtungen eingesetzt werden.
Auch digitale Zwillinge sollen künftig in Wirtschaftsplanung, Infrastrukturmanagement und Umweltüberwachung zum Einsatz kommen. Bis 2029 sind zwei Pilotmodelle geplant, später soll der Ansatz ausgeweitet werden.
Finanziert wird die Strategie aus dem Staatshaushalt, Förderfonds, privaten Investitionen sowie internationalen Krediten und Zuschüssen. Für jede zentrale Maßnahme sollen spezielle Arbeitsgruppen eingerichtet werden. Die Regierung betont, dass der Erfolg maßgeblich von institutioneller Koordination, transparenter Umsetzung und internationaler Zusammenarbeit abhängt.
Bis 2029 erwartet Baku messbare Fortschritte bei Produktivität, Innovationsfähigkeit und Effizienz im öffentlichen Sektor. Die digitale Transformation soll langfristig neue Entscheidungsmodelle ermöglichen und die Verwaltungskosten senken.
Dieser Artikel entstand in Kooperation mit unserem Partner bne intelliNews

