Die 83. Sitzung des Rates für Schienenverkehr der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) ist in Baku zu Ende gegangen. Aserbaidschan nutzte das Treffen, um seine Ambitionen als regionaler Verkehrsdrehkreuz zu unterstreichen – und gleich mehrere Großprojekte auf dem Mittelkorridor sowie am Nord-Süd-Verkehrskorridor voranzutreiben.

Vertreter der Eisenbahnverwaltungen aus Aserbaidschan, Armenien, Belarus, Estland, Georgien, Iran, Kasachstan, Kirgisistan, Lettland, Russland, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan nahmen an der Sitzung teil. Auch die Organisation für die Zusammenarbeit der Eisenbahnen (OSJD), das Exekutivkomitee der GUS sowie internationale Verbände waren vertreten, wie der aserbaidschanische Bahnbetreiber ADY mitteilte.

Die Delegierten prüften die Leistungen des GUS-Schienenverkehrs in den ersten neun Monaten 2025, diskutierten internationale Güter- und Containerzüge, die Tarifpolitik für 2026 sowie Modernisierungsprogramme – und verabschiedeten anschließend das Sitzungsprotokoll.

Ausbau entlang des Mittelkorridors

Aserbaidschans Verkehrsminister Rashad Nabiyev hob zu Beginn der Sitzung hervor, dass mehrere laufende Großprojekte im Land unmittelbar zur Agenda des Rates passen. So gehe der Bau des Zangezur-Korridors mit einer geplanten Kapazität von bis zu 15 Millionen Tonnen pro Jahr voran. Die Bahnstrecke nach Aghbend an der armenischen Grenze solle bis 2026 fertiggestellt werden.

Parallel dazu plant Aserbaidschan den Bau einer rund 200 Kilometer langen Strecke durch die Exklave Nachitschewan. Die Planung sei nahezu abgeschlossen, der Baustart stehe unmittelbar bevor, so Nabiyev.

Besonders betonte er die Bedeutung des Mittleren Korridors. Die modernisierte Bahnverbindung Baku–Tiflis–Kars (BTK) könne inzwischen 5 Millionen Tonnen Güter pro Jahr transportieren – fünfmal mehr als zuvor. ADY arbeite weiter daran, die Ost-West-Hauptstrecke Baku–Boyuk Kesik vollständig auf Wechselstrombetrieb umzustellen.

Der Mittlere Korridor werde zunehmend zur alternativen und sicheren Transitroute für die Binnenstaaten Eurasiens. In den ersten zehn Monaten dieses Jahres beförderte ADY 317 Blockzüge auf dieser Strecke – 32 Prozent mehr als im Vorjahr.

Fortschritte beim Nord-Süd-Korridor

Auch am strategisch wichtigen Nord-Süd-Korridor treibt Aserbaidschan den Ausbau voran. Anfang des Jahres hatten ADY und die iranische Eisenbahn eine Vereinbarung zur Entwicklung des Terminals in Astara unterzeichnet. Die Anlage liegt in Iran, wurde aber für 25 Jahre an Aserbaidschan übergeben. Die Fertigstellung ist für Ende 2026 geplant.

Gemeinsam mit Russland verfolgt Aserbaidschan zudem ein Modernisierungsprogramm zur Steigerung des Frachtaufkommens. Ab 2028 sollen zunächst 5 Millionen Tonnen über die Route transportiert werden – später 15 Millionen. Auf aserbaidschanischer Seite soll der Wiederaufbau der Strecke Sumqayit–Yalama noch in diesem Jahr abgeschlossen werden. Arbeiten an der Verbindung Alat–Osmanli–Astara laufen ebenfalls.

Oleg Belozyorov, Chef der Russischen Eisenbahnen, verwies am Rande der Sitzung auf deutliche Fortschritte: Die Transitzeit von Moskau zum iranischen Hafen Bandar Abbas habe sich in zwei Jahren von 27 auf 16 Tage verkürzt. Der Containerverkehr wachse sowohl auf der westlichen als auch auf der östlichen Route. Auf der Westachse wurden in den ersten zehn Monaten 6.558 Container über Astara bewegt – ein Plus von mehr als 58 Prozent.

Regionale Integration und digitale Vernetzung

Für ADY-Chef Rovshan Rustamov sind die aktuellen Entwicklungen Ausdruck einer grundlegenden regionalen Dynamik. Die Integration des internationalen Seehafens Baku in die Struktur des Bahnbetreibers sei ein strategischer Schritt gewesen. Die Erweiterung des Hafens und die Logistikzone Alat seien entscheidend für den multimodalen Ansatz des Landes.

Rustamov sprach sich für eine engere Abstimmung der GUS-Staaten im Transportsektor aus. Einheitliche technische Standards, abgestimmte Zollverfahren und gemeinsame Entscheidungen seien nötig, um das Transitpotenzial der Region voll auszuschöpfen. Die Digitalisierung spiele dabei eine Schlüsselrolle. ADY führe derzeit zentrale Transportsysteme, Echtzeit-Tracking und digitale Dokumentation ein.

Auch zwischen Russland und Aserbaidschan gibt es Fortschritte: Beide Seiten unterzeichneten ein Abkommen für den bilateralen elektronischen Datenaustausch, das die Abfertigung beschleunigen und den Papieraufwand deutlich reduzieren soll.

Neue Dynamik in Zentralasien – und ein trilateraler Durchbruch

Kasachstan meldete seinerseits ein stark wachsendes Frachtvolumen im Handel mit Aserbaidschan. In den ersten zehn Monaten 2025 wurden 4,1 Millionen Tonnen transportiert – siebenmal so viel wie vor vier Jahren. Das Containeraufkommen auf dem Mittleren Korridor stieg um mehr als zwölf Prozent.

Ein zentrales Ergebnis des Gipfels war die Unterzeichnung einer trilateralen Absichtserklärung zwischen Russland, Aserbaidschan und Iran zur Entwicklung des westlichen Zweigs des Nord-Süd-Korridors. Vorgesehen sind dort unter anderem einheitliche Tarife, regelmäßige Blockzüge und vereinfachte Frachtverfahren. Die Unterzeichner versprechen sich eine schnellere, kostengünstigere und verlässliche Logistikkette zwischen den drei Ländern.


Dieser Artikel entstand in Kooperation mit unserem Partner bne intelliNews

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