Aserbaidschanische regierungsnahe Medien werfen Georgien vor, den Güterverkehr aus Aserbaidschan gezielt zu behindern und überhöhte Tarife im Schienentransit zu erheben. Hintergrund der Vorwürfe ist die geplante „Trump-Route für internationalen Frieden und Wohlstand“ (TRIPP), ein neuer Transitkorridor, der Georgiens bisherige Schlüsselrolle im regionalen Ost-West-Verkehr schwächen könnte. Die georgische Regierung weist die Anschuldigungen als Desinformation zurück, bemüht sich jedoch zugleich um Schadensbegrenzung.

Ministerpräsident Irakli Kobachidse ordnete Anfang Dezember eine einmalige kostenlose Bahnlieferung aserbaidschanischer Treibstoffe nach Armenien an. Offiziell sollte damit ein logistisches Problem gelöst werden – de facto war es ein politisches Signal in einem sich zuspitzenden Streit.

Vorwürfe aus Baku

Die Kontroverse nahm Ende November ihren Anfang in den regierungsnahen aserbaidschanischen Medien Caliber.az und Minval Politika. Beide Portale berichteten übereinstimmend, georgische Zoll- und Polizeibehörden würden aserbaidschanische Lastwagen systematisch aufhalten – sowohl an Grenzübergängen als auch an Kontrollpunkten im Landesinneren. Fahrer berichteten von wochenlangen Verzögerungen in Tiflis, obwohl ihre Dokumente vollständig gewesen seien. Einige gaben an, ihnen sei nahegelegt worden, gegen informelle Zahlungen eine schnellere Abfertigung zu erhalten – ein Vorwurf, den die Medien als Hinweis auf Korruption werteten.

In der stark staatlich kontrollierten Medienlandschaft Aserbaidschans gelten Caliber.az und Minval Politika als inoffizielle Sprachrohre der Präsidialverwaltung. Tonfall und Zeitpunkt der Berichte werden daher regional nicht als bloße journalistische Zuspitzung verstanden, sondern als politisches Signal aus Baku – ein Versuch, Druck auf Tiflis auszuüben, ohne formelle diplomatische Schritte einzuleiten.

Die Medien deuteten an, Georgien reagiere nervös auf die geplante Umgehung seiner Transitroute. Fahrer seien mit Bemerkungen wie „Fahren Sie doch durch Sangesur“ konfrontiert worden – eine Anspielung auf den geplanten Korridor durch Südarmenien.

Transitkorridore und Machtfragen

Der Streit fällt in eine Phase grundlegender Umbrüche im regionalen Verkehrsgefüge. Aserbaidschan und die USA treiben mit TRIPP eine multimodale Verbindung voran, die das aserbaidschanische Kernland über Südarmenien mit Nachitschewan, der Türkei und perspektivisch Europa verbinden soll – unter Umgehung georgischen Territoriums. In Aserbaidschan ist das Projekt als Sangesur-Korridor bekannt.

Aserbaidschanische Medien nennen drei mögliche Motive für die angebliche Blockade: erstens Georgiens Sorge um den Verlust seines faktischen Transitmonopols; zweitens mutmaßlichen Einfluss armenischstämmiger Beamter in georgischen Institutionen; drittens geopolitische Interessen Russlands, das von der US-geführten Initiative ausgeschlossen wäre. Beweise liefern die Medien nicht, stellen ihre Thesen jedoch in den Kontext einer umfassenden regionalen Neuordnung.

Kurz nach den Zollvorwürfen eröffnete sich eine zweite Konfliktlinie: die Tarife für den Bahntransit. Minval Politika berichtete, Georgien habe für die Strecke Gardabani–Sadakhlo einen 20- bis 40-fach höheren Tarif verlangt als für vergleichbare Transporte. Das Medium warnte offen, Georgien könne es sich angesichts jahrzehntelanger aserbaidschanischer Investitionen nicht leisten, Bakus Interessen zu ignorieren.

Tiflis weist Vorwürfe zurück

Die georgische Regierung bestreitet entschieden, aserbaidschanische Transporte gezielt zu behindern. Kobachidse erklärte gegenüber dem Wirtschaftsmagazin BM.GE, es habe lediglich einen einzelnen Vorfall mit sachlichem Hintergrund gegeben. Der georgische Zoll sprach von „glatter Desinformation“ und betonte, alle Abfertigungen erfolgten im Sondermodus, um das hohe Frachtaufkommen zu bewältigen. Verschärfte Kontrollen seien notwendig, um die Umgehung von Sanktionen gegen Russland und Belarus zu verhindern.

Unterstützung erhielt die Regierung von Roman Gotsiridze, dem ehemaligen Präsidenten der georgischen Nationalbank. Er sprach von einer gezielten Medienkampagne aus Baku, die darauf abziele, Druck auf Georgien auszuüben. Zugleich warnte er davor, die Auseinandersetzung isoliert zu betrachten: Armenien sei derzeit vollständig von georgischen Häfen und Bahnlinien abhängig, doch strukturelle Veränderungen – neue Bahnverbindungen über Aserbaidschan, mögliche Grenzöffnungen – könnten Georgiens Verhandlungsmacht langfristig schwächen.

Auch in Aserbaidschan selbst wird der Konflikt kontrovers diskutiert. Der Oppositionspolitiker Ilgar Mammadov brachte die Vorwürfe mit der seit fast fünf Jahren geschlossenen Landgrenze zu Georgien in Verbindung. Tiflis könne versuchen, den innenpolitischen Frust in Aserbaidschan wirtschaftlich auszunutzen, um Baku zur Öffnung der Grenze zu bewegen.

Der Streit zeigt, wie eng Infrastruktur, Geopolitik und wirtschaftliche Interessen im Südkaukasus miteinander verflochten sind. Was als Zollkonflikt begann, ist längst Teil eines größeren Machtkampfs um Transitwege, Einfluss und strategische Abhängigkeiten.


Dieser Artikel entstand in Kooperation mit unserem Partner bne intelliNews

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