Ein Abend wie aus dem Bilderbuch. Kinder weinen vor Freude, während Lionel Messi sie umarmt. Die Crystal Hall in Baku bebt vor Applaus. Adnan Ahmadzada, Gastgeber des Abends, lächelt zufrieden. Der einflussreiche Geschäftsmann, einst Vizepräsident des aserbaidschanischen Ölkonzerns SOCAR, hat es geschafft, den größten Fußballer der Welt an die Küste des Kaspischen Meeres zu holen. Das Event soll sein neues Image prägen: Mäzen, Kulturförderer, globaler Netzwerker.

Der gleiche Mann sitzt in Untersuchungshaft, angeklagt wegen eines der größten Wirtschaftsverbrechen in Aserbaidschans Geschichte. Die Vorwürfe: Ölverunreinigung in industriellem Ausmaß, Umgehung westlicher Sanktionen gegen Russland, Bildung eines internationalen Schattennetzwerks. Die möglichen Konsequenzen: bis zu 23 Jahre Haft.

Der tiefe Fall des Adnan Ahmadzada ist mehr als nur die Geschichte eines gefallenen Tycoons. Es ist ein Lehrstück über Macht, Raffinesse – und die Schwächen eines globalen Energiesystems, das von korrupten Eliten, geopolitischen Spannungen und fragilen Allianzen geprägt ist.

Aufstieg eines Ölprinzen

Ahmadzadas Karriere verläuft kometenhaft. Nach einem Verwaltungsstudium in Baku beginnt er 1998 als Junior-Analyst bei SOCAR. Innerhalb weniger Jahre steigt er auf, übernimmt 2010 die Leitung des internationalen Handelsgeschäfts – und wird 2018 CEO von SOCAR Trading SA in Genf, einem milliardenschweren Knotenpunkt des globalen Ölhandels.

Der aserbaidschanische Präsident Ilham Alijew ehrt ihn mit der Taraggi-Medaille. Ahmadzada wird zum Gesicht einer neuen aserbaidschanischen Wirtschaftselite – technokratisch, international vernetzt, westlich orientiert. Doch sein Weg führt ihn bald aus den Strukturen des Staates hinaus.

Nach seiner Entlassung bei SOCAR im Jahr 2023 – offiziell wegen „Mängeln in der Arbeit“ – erfindet sich Ahmadzada neu: als Investor, Holdingchef und Sportmäzen. Seine ABDA Invest Holding kontrolliert Supermärkte, Kinos, Immobilien. Und: Er pflegt öffentlichkeitswirksam Freundschaften mit Fußballstars wie Messi und Ronaldinho, präsentiert sich mit FC-Barcelona-Präsident Joan Laporta und betont seinen „kulturellen Auftrag“.

Doch hinter dem Glamour verdichten sich Hinweise auf ein ganz anderes Geschäft.

Öl mit Nebenwirkungen

Im Juli 2025 meldet das türkische Ceyhan-Terminal einen ernsten Vorfall: Rund 200.000 Tonnen Rohöl aus Aserbaidschan sind mit organischen Chloriden kontaminiert – hochgradig korrosiv, potenziell gefährlich für Raffinerien in der gesamten Region. Betroffen sind Lieferketten bis nach Italien, Rumänien und Österreich. Der Markt reagiert prompt: Der Preis für Azeri Light stürzt ab, der Schaden geht in die Milliarden.

Rumänien ruft sogar den Notstand aus, zapft strategische Reserven an. Der Betreiber BP erklärt höhere Gewalt. Doch schnell wird klar: Der Vorfall ist kein technisches Versehen. Ermittlungen deuten auf bewusste Manipulation. Und ein Name taucht immer wieder auf: Adnan Ahmadzada.

Die Spur nach Malta

Im Zentrum der Ermittlungen steht eine undurchsichtige Firma: Alkagesta Ltd., registriert auf Malta, mit Niederlassungen in Europa, dem Nahen Osten und Zentralasien. Offiziell geführt von Kamran Aghayev – angeblich Ahmadzadas Cousin. Inoffiziell, so Ermittler, steuert Ahmadzada das operative Geschäft. Das Unternehmen soll russisches Öl mithilfe gefälschter Dokumente als turkmenische Ware ausgegeben haben – ein klassischer Fall von Sanktionsumgehung.

Laut Global Witness sollen 90 Prozent des Anfang 2024 in der STAR-Raffinerie verarbeiteten Rohöls aus Russland stammen – trotz EU-Sanktionen. Die betreffenden Tanker – Zangezur, Shusha, Karabakh – stehen mittlerweile auf westlichen Sanktionslisten. Großbritannien, die EU und sogar Albanien untersuchen Alkagesta. 22.500 Tonnen mutmaßlich gefälschten Treibstoffs wurden dort bereits beschlagnahmt.

Doppelleben zwischen Oligarchen und Sportstars

Ahmadzadas Kontakte reichen tief – nicht nur in den Westen. Er wird auf Partys mit Vagit Alekperov gesehen, dem sanktionierten Gründer von Lukoil. Medien berichten, dass er möglicherweise Alekperovs Yacht registriert haben soll, um eine Beschlagnahmung zu verhindern – was bislang jedoch nicht belegt ist. Dass russische Medien über seine Verhaftung auffallend schweigen, facht Spekulationen über ein mögliches Stillhalteabkommen weiter an.

Sein Parallelleben als Gastgeber internationaler Fußballstars wirkt heute wie ein gezielt konstruiertes Ablenkungsmanöver. Fotos auf Instagram zeigen ihn in Messis Villa in Paris. Ronaldinho tritt bei der COP29 in Aserbaidschan auf. Der ehemalige SOCAR-Manager will sogar den aserbaidschanischen Verein Mingachevir FC kaufen – mit „Unterstützung des FC Barcelona“. Die Nähe zu Prominenten verschafft ihm Legitimität – und möglicherweise Schutz.
Gezielte Sabotage – oder systemischer Betrug?

Ein besonders brisantes Detail: Die Kontamination der Öl-Lieferungen erinnert an einen ähnlichen Vorfall aus dem Jahr 2019, als Russland die Druschba-Pipeline verseuchte – offenbar gezielt. Rumänische Geheimdienste prüfen derzeit, ob auch die Verunreinigung der Baku-Tiflis-Ceyhan-Pipeline ein Akt wirtschaftlicher Sabotage war – eine Warnung aus Moskau an das zunehmend pro-westliche Aserbaidschan?

Im August ist in russischen Medien die Aussage erschienen: „Ärgere den russischen Bären nicht.“ Die Botschaft: Wer sich vom Kreml abwendet, zahlt einen Preis.

Die große Frage: Wie konnte er das tun?

Bleibt die zentrale, bislang unbeantwortete Frage: Wie konnte ein Mann, der 2023 bei SOCAR entlassen wurde, zwei Jahre später Einfluss auf die Lieferkette einer internationalen Pipeline nehmen?

Gab es Mitwisser im System? Oder war Ahmadzada nur das Gesicht eines viel größeren, bis heute unentdeckten Netzwerks? Die Dimension des Skandals, die internationalen Verflechtungen, der Informationszugang – all das deutet darauf hin, dass mehr als ein Einzelner beteiligt war.

Die Folgen

Die Affäre Ahmadzada ist ein schwerer Rückschlag für Aserbaidschan – und ein Weckruf für den Westen. Das Land wollte sich als verlässliche Alternative zu russischer Energie etablieren, Milliarden flossen in Infrastruktur, diplomatische Partnerschaften. Nun steht die Glaubwürdigkeit auf dem Spiel.

Gleichzeitig zeigt der Fall, wie durchlässig Sanktionen sind – und wie leicht erfahrene Insider Schlupflöcher finden. Ahmadzada, so scheint es, wusste genau, wo diese lagen.

„Er zeigt Durchhaltevermögen“

Laut seinem Anwalt Shaig Mirzajew kooperiert Ahmadzada mit den Ermittlern. Man wolle „die Wahrheit ans Licht bringen“. Eine Berufung gegen die Untersuchungshaft ist derzeit nicht geplant. Öffentlich äußert sich der Geschäftsmann nicht – auch nicht zu den schwerwiegenden Vorwürfen.

Derzeit sitzt er in einer Zelle des Staatssicherheitsdienstes in Baku. Ob er dort allein ist – oder ob andere folgen werden –, ist noch offen.

Der Fall Adnan Ahmadzada ist mehr als nur ein weiterer Wirtschaftsskandal im postsowjetischen Raum. Er ist ein Lehrbeispiel dafür, wie politisch durchsetzte Rohstoffmärkte funktionieren – und wie dünn die Trennlinie ist zwischen Diplomatie, Korruption und Wirtschaftskrieg.

Ahmadzadas Geschichte begann mit einem Abendessen mit Messi. Sie könnte mit einem Schuldspruch enden, der den Energiemarkt Europas noch lange beschäftigen wird.


Dieser Artikel entstand in Kooperation mit unserem Partner bne intelliNews

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