Der Trend zur mobilen Arbeit flaut auch in Russland weiter ab: Laut einer Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft TeDO, ehemals Teil der internationalen Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoppers (PwC), und des russischen Büroimmobilienunternehmen O1 Properties haben im vergangenen Jahr mehr als 75% der russischen Unternehmen ihre Mitarbeiter aus dem Homeoffice ins Büro zurückgeholt.

Personalleiter erklären diese Entwicklung zum Teil mit der autoritären Führungskultur in russischen Unternehmen. Demnach können viele Firmenchefs mit dem Homeoffice wenig anfangen. Viele Arbeitgeber sehen das Homeoffice skeptisch. Die Kritik: Fernarbeit schadet der Unternehmenskultur und mindert im Mitarbeiter das Zugehörigkeitsgefühl. Einige Chefs beanstanden zudem einen Rückgang der Arbeitsproduktivität.

Forschung belegt Effizienzrückgang

Gestützt werden diese Bedenken von einer Studie des Bonner Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit (IZA), die im Zuge der Pandemie veröffentlicht wurde. Die Arbeitswissenschaftler ermittelten, dass die Arbeitsproduktivität im Homeoffice durchschnittlich um 20% gesunken ist.

Insgesamt sahen die Forscher die Ursachen für die geringere Produktivität am Heimarbeitsplatz in der größeren Ablenkung, insbesondere in Haushalten mit Kindern. Auch mangelndes Coaching und der fehlende direkte Kontakt zu Vorgesetzten, Kollegen und Geschäftspartnern schadeten offenbar der Produktivität, so der Befund des Forschungsinstituts. Dennoch nimmt Homeoffice in der heutigen Arbeitswelt einen festen Platz ein. Experten zufolge müssen Arbeitgeber flexibel sein, um eigene Geschäftsinteressen und komfortable Arbeitsbedingungen für die Belegschaft in Einklang zu bringen.

In Zeiten des Fachkräftemangels sehen Arbeitgeber im Homeoffice-Modell aber auch Chancen, denn sie beschäftigen auf diese Weise Arbeitskräfte in anderen Regionen. Zur Steigerung der Arbeitszufriedenheit trägt vor allem bei, dass Mitarbeiter keine Zeit und Kraft für den Weg zur Arbeit aufwenden müssen, erklären Arbeitsforscher.

Homeoffice in Zahlen

Weltweit am weitesten verbreitet ist Homeoffice in Kanada (1,9 Tage) und im Vereinigten Königreich (1,8 Tage), zeigt eine Auswertung des Münchner ifo Instituts für Wirtschaftsforschung unter Arbeitnehmern mit Hochschulabschluss in 40 Ländern. In den USA und Indien arbeiten die Menschen ebenfalls an 1,6 Tagen von zu Hause. Deutschland liegt mit durchschnittlich 1,6 Tagen pro Woche in Europa im vorderen Bereich der Länder mit den höchsten Home-Office-Tagen. Neben den Briten arbeiten lediglich die Finnen mit durchschnittlich 1,7 Tagen pro Woche öfter von zu Hause aus. Am wenigsten verbreitet ist das Homeoffice in Südkorea (0,5 Tage), China und Griechenland (je 0,6 Tage).

Nach Angaben des Thinktanks ISSEK der Moskauer Higher School of Economics sind derzeit in Russland eine Million Menschen im Homeoffice oder Hybridformat tätig, dies entspricht etwa 1,3% an der erwerbstätigen Bevölkerung Russlands. Mit Stand August 2025 waren 76,5 Mio. Russen erwerbstätig, wie aus Zahlen der russischen Statistikbehörde Rosstat hervorgeht. 2019, ein Jahr vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie, arbeiteten in Russland 215.000 Menschen von zu Hause aus. Im Covid-Jahr 2020 stieg die Zahl auf 1,2 Mio. In einzelnen Monaten desselben Jahres erreichte die Zahl der Fernarbeiter den Analysten zufolge 4,5 Mio.

Ein anderes Bild ergibt sich in einer Umfrage des russischen Meinungsforschungszentrums WZIOM von Frühjahr 2025: 25% der befragten Erwerbstätigen gaben an, entweder vollkommen oder teilweise aus dem Homeoffice zu arbeiten. Auch in der eingangs erwähnten Studie von TeDO und O1 Properties gaben 54% der befragten Arbeitgeber und 46% der Mitarbeiter an, Homeoffice mit der Büroarbeit zu vereinen.

Die IT-Branche weist den höchsten Anteil an Homeoffice-Mitarbeitern auf. Laut dem russischen Stellenportal Superjob arbeiten in diesem Bereich 35% Arbeitnehmer von zu Hause. Dahinter folgt Verkauf und Kundenservice mit 19%, Personalmanagement (17%), Buchhaltung (12%) und Beschaffung (10%). Die höchsten Mediangehälter im Homeoffice erhalten laut Headhunter Datenanalysten: 251.000 Rubel, umgerechnet 2740 Euro. Knapp dahinter liegen DevOps-Ingenieure mit 250.000 Rubel, 2730 Euro. Immobilienmakler können mit 213.000 Rubel, 2330 Euro, rechnen, IT-Systemanalysten und Manager für Strategieberatung verdienen etwa 200.000 Rubel, 2185 Euro.

Prioritäten klaffen auseinander

Personalexperten beobachten derzeit auf dem Arbeitsmarkt, wie die Erwartungen der Bewerber und die Anforderungen der Arbeitgeber auseinandergehen. Das russische Consultingunternehmen Mobius Technology hat in der ersten Hälfte 2025 gemeinsam mit dem Jobportal Headhunter 300.000 Stellenausschreibungen ausgewertet. Demnach interessiert sich mehr als die Hälfte der Bewerber für Fernarbeit, gleichzeitig bestehen 65% der Arbeitgeber auf der Anwesenheit ihrer Mitarbeiter im Büro. Ausschließlich Homeoffice bieten nur 32% der Stellenausschreibungen an.

Diese Tendenz betrifft in Teilen die IT-Branche, die traditionell die meisten Möglichkeiten für Remotearbeit bietet. Experten erklären dies mit Sicherheitsbedenken und dem sogenannten Overemployment, bei dem ein IT-Spezialist gleichzeitig in mehreren Firmen beschäftigt sein kann. Dieses Massenphänomen sei eine direkte Gefahr für die Arbeitsproduktivität und die Informationssicherheit eines Unternehmens, weil durch Fernarbeit vermehrt Daten abfließen könnten, sagt Andrei Bojko, Leiter des Personaldienstleisters Selecty. Vor diesem Hintergrund gehen einige IT-Unternehmen zu dem hybriden Modell mit obligatorischen 2-3 Tagen Büropräsenz über.

Quellen: Rossijskaja Gaseta 12, Forbes 12IzvestiaWZIOMKommersantRBC (alle RU), IZAifo Institut


Dieser Beitrag erschien zuerst im exklusiven Newsletter „Morgentelegramm“ der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer

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