Jonas Prien Türkei

„Türk it Easy“ – Die Türkei Kolumne

Autor: Jonas Prien

Jonas Prien Zentralasien

Über 60.000 afrikanische Studenten leben in der Türkei. Für die Türkei stellt dies sowohl eine Investition in ausländische Fachkräfte als auch den Aufbau globalen Alumni-Netzwerks mit geopolitischen Anspruch dar. Im Podcast “TÜRK IT EASY” sprechen Rebecca Ewang und Edwin Soesthenes, Stipendiaten des türkischen Hochschulprogramms, über ihre Erfahrungen im Studium und warum sie im Land geblieben sind. 

Ankara. Ein Stipendium, ein Flugticket, eine Prise Mut – so beginnt für viele junge Afrikanerinnen und Afrikaner ein neues Kapitel in der Türkei. Rund 60.000 Studierende aus 50 Ländern Afrikas zählt das türkische Hochschulsystem mittlerweile. Für viele ist es mehr als ein akademisches Abenteuer: Es ist ein interkultureller Brückenschlag zwischen Kontinenten, Religionen und Lebensrealitäten.

„Ich kam 2015 mit kaum mehr als Neugier und einem Koffer“, sagt Rebecca Ewang, heute berufstätig in Ankara. Die gebürtige Südafrikanerin entschied sich nach der Schule für ein Stipendium der türkischen Regierung, um internationale Beziehungen zu studieren. Dass sie ein Jahrzehnt später noch immer in der Türkei leben und arbeiten würde, „das hätte ich damals nicht gedacht.“

Wie Ewang kam auch Edwin Sosthenes aus Tansania 2015 in die Türkei mit dem Ziel, erst einen Master und später eine Promotion zu machen. Er erzählt: „Deutschland war natürlich auch ein interessantes Ziel für mich. Aber die Türkei war schneller, unkomplizierter, bezahlbarer und ehrlicher in ihrem Angebot.“ Mit einem Stipendium der Türkiye Bursları begann er an der Universität Ankara. Heute promoviert er auf Englisch im Bereich Gesundheitsmanagement. Dabei hat er auch seine Faszination für die türkische Kultur entdeckt. Mittlerweile hat er fast 40 Städte des Landes bereist.

Bildung als Soft Power

Was beide vereint, ist der Weg über ein umfassendes staatliches Stipendienprogramm, das nicht nur Studiengebühren abdeckt, sondern auch Unterkunft, Krankenversicherung, Sprachkurse und Lebensunterhalt sichert. Dieses Rundum-sorglos-Paket sieht Sosthenes als kluge Investition: „Die Türkei hat unsere Bedürfnisse verstanden. Sie hat nicht nur einen monetären Anreiz, sondern auch eine Anleitung gegeben, um sich schnell im Land zurechtzufinden.“

Ewang ergänzt: „Es geht hier nicht nur um Bildung, sondern auch um Netzwerke. Ich habe in der Türkei Menschen getroffen, mit denen ich heute international arbeite.“ Tatsächlich ist dies auch erklärtes Ziel der Türkei: ein wachsendes, global vernetztes Alumni-Netz, das die wirtschaftliche und politische Verbindung zu afrikanischen und nahöstlichen Staaten stärkt.

Türkisch lernen, um anzukommen

Doch der Anfang sei oft hart, erzählen beide, vor allem die Sprache. „Ich kam ohne ein einziges türkisches Wort im Gepäck“, lacht Ewang. Ein Jahr intensiver Sprachkurs war Teil des Programms, das Ziel: C1-Niveau. Auch Sosthenes beschreibt die ersten Monate als besonders schwierig: “Das türkische Alphabet fühlte sich an wie ein Rätsel mit zwei verschiedenen ‚i’”. Geholfen hat ihnen auch ein breites Unterstützungsangebot der Universitäten. 

Dass sich das Durchhalten lohnt, zeigt sich später: „Ohne Türkisch hätte ich nie den Job bekommen, den ich heute mache“, so Ewang, die heute als Projektmanagerin mit Schwerpunkt auf türkisch-afrikanische Wirtschaftsbeziehungen arbeitet. Sosthenes, der seinen Master komplett auf Türkisch absolvierte, spricht von „Türkisch als Schlüssel zu kultureller Tiefe und zu Bildungschancen.“

Integration in Etappen

Integration aber bleibe ein Prozess. „Die türkische Gesellschaft ist sehr gastfreundlich, aber nicht automatisch offen“, sagt Ewang. Vor allem als Frau habe sie sich lange in einer „Blase der afrikanischen Community“ bewegt. Erst mit dem Berufsleben habe sie wirklich Anschluss gefunden. Es fehle an strukturierten Angeboten, etwa Mentoringprogrammen für ausländische Studentinnen oder interkulturellen Freizeitinitiativen. „Oft mussten wir unsere eigenen Räume schaffen“, sagt sie. „Aber wie viel wertvoller wäre es gewesen, das gemeinsam mit türkischen Studierenden zu tun.“

Sosthenes bestätigt: „Im Master und Doktorat wird man mehr respektiert als im Bachelor. Aber die Unterschiede zwischen Regionen sind groß.“ In Städten wie Antalya oder Izmir, wo Tourismus Alltag ist, seien die Menschen „viel offener gegenüber Ausländern“ als in Anatolien. Ankara lobt er dennoch als „studentisch, verwaltungstechnisch effizient und erschwinglich, die beste Wahl für Bildungskarrieren.“

Lehren für Deutschland?

Beide sehen in Deutschland einen akademischen Sehnsuchtsort vieler Afrikanerinnen und Afrikaner. Doch dort gebe es Hürden, die Talente früh ausbremsen. Sprachvoraussetzungen (B2-Deutsch vorab), hohe Lebenshaltungskosten, keine zentralen Wohnheimplätze und zu wenig Begleitung in der Ankommensphase.

„Deutschland hat exzellente Unis, aber keinen weichen Einstieg“, sagt Sosthenes. Die Türkei biete genau das: Ein „Initialjahr“, um Sprache, Kultur und Infrastruktur kennenzulernen. „Danach kann man fliegen oder zurückkehren mit einem echten Netzwerk.“

Mehr als nur Migration

Die Geschichten von Ewang und Sosthenes zeigen: Die Türkei nutzt akademische Bildung, um sich ein Netz internationaler Alumni mit guten Türkischkenntnissen in Afrika und anderso aufzubauen.Diese geförderte Bildungsmigration wird vom gegenseitigen Interesse der Studentinnen und Studenten getragen, die sich von der Zeit in der Türkei eine positive Berufsaussichten versprechen. Die Türkei wird für viele nicht nur zur Bildungsstation, sondern auch zur zweiten Heimat. Viele kehren auch wieder zurück und werden kulturelle oder wirtschaftliche Mittler zur Türkei. 

„Wenn ich zurückblicke“, sagt Ewang, „war es die beste Entscheidung meines Lebens.“


Hintergrund

Im Podcast “TÜRK IT EASY” sprechen Rebecca Ewang und Edwin Soesthenes, Alumni des türkischen Bildungsprogramms für ausländische Studenten, über ihre Erfahrungen als Afrikaner in der Türkei und warum sie als Fachkräfte geblieben sind.

Hier das gesamte Gespräch hören:

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