Polen vor der Wirtschaftskrise?

Gestern hat Polen gewählt und die Zahlen lassen aufhorchen: Im ersten Präsidentschaftswahlgang lag der liberale Warschauer Bürgermeister Rafał Trzaskowski mit 31,3% nur hauchdünn vor dem von der rechtsnationalen PiS unterstützten Karol Nawrocki (29,6%). Doch dahinter sammelte die radikale Rechte erstaunliche 21% ein: Sławomir Mentzen kam auf 14,8%, Grzegorz Braun auf 6,4% – genug, um in der Stichwahl am 1. Juni zum Machtfaktor zu werden. Was bedeutet das für Polen als Wirtschaftsstandort?

Mentzen: Junger Rechtsaußen 

Der 36-jährige Steuerberater Sławomir Mentzen verdankt seinen Aufstieg einem provokanten Online-Marketing und der berüchtigten Parole „Keine Juden, keine Homosexuellen, keine Abtreibungen, keine Steuern, keine EU“.⁠ Obwohl er den Slogan mittlerweile falsch verstanden sieht, bleibt sein Programm radikal: Staatsverkleinerung nach Muskschem Vorbild, Austritt aus klimapolitischen EU-Regeln, harte Migrations­barrieren. Für Warschau ist das hochriskant: Erst im Februar 2024 hat Brüssel bis zu 137 Mrd. € an eingefrorenen Geldern freigegeben – ausdrücklich unter der Bedingung, dass Polen an Rechtsstaatsreformen festhält.⁠ Ein Präsident, der diese Auflagen attackiert, könnte die Mittel erneut blockieren.

Schon jetzt warnt Fitch Ratings, dass eine Verschlechterung der institutionellen Qualität das Rating herabziehen könnte. Die polnische Inflation wird 2025 auf 4,5% taxzziert, mehr als in den Nachbarländern.⁠ Kurz gesagt: Mentzens “weniger Staat, raus aus Brüssel”-Kurs mag populär klingen stellt aber EU-Milliarden, Złoty-Stabilität und Kredit­kosten gleichermaßen aufs Spiel.

Braun: radikale antisemitische Aktionen

Noch schärfer tritt Grzegorz Braun auf, dessen 6-Prozent-Lager in der Stichwahl fast geschlossen zu Nawrocki tendieren dürfte. Zu internationaler Bekanntheit gelangte Braun, als er im Dezember 2023 im Sejm, dem polnischen parlament, mit einem Feuerlöscher die Kerzen eines Chanukka-Leuchters löschte . Eine Aktion, die ihm die Aufhebung der Immunität und Ermittlungen wegen Störung religiöser Zeremonien einbrachte.⁠ Wer in Polen investiert, kalkuliert nicht nur ökonomische Kennzahlen, sondern auch Reputations- und Sanktions­risiken. Antisemitische und Auftritte schwächen Warschaus Stellung in EU und NATO – genau die Sicherheits­architektur, die bisher Milliarden an ausländischem Kapital abgesichert hat.

Sollten Mentzen und Braun ihre Anhänger in zwei Wochen hinter Nawrocki versammeln, droht für Polen ein toxischer Mix aus eingefrorenen EU-Geldern, abwertendem Złoty und steigenden Risiko­prämien. Die Stichwahl ist deshalb nicht nur ein politischer Showdown, sondern ein handfester Stresstest für Polens Wirtschaft – und für jede Firma, die auf den sechstgrößten Markt der EU setzt.

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