Die Gletscher Tadschikistans ziehen sich in alarmierendem Tempo zurück. Mehr als 1.000 sind bereits vollständig verschwunden, Dutzende weitere akut bedroht. Das geht aus einem neuen Atlas der Umweltveränderungen hervor, den das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) am 2. September veröffentlicht hat. Der Bericht macht deutlich, wie stark steigende Temperaturen die Wasserressourcen Zentralasiens unter Druck setzen – und wie dringend eine regionale Zusammenarbeit notwendig ist.

Folgen für Wasser und Energieversorgung

Der Atlas basiert auf nationalen Statistiken und Satellitendaten aus mehr als sechs Jahrzehnten. Er dokumentiert, dass die jährliche Durchschnittstemperatur in Tadschikistan bereits um 1,2 Grad Celsius gestiegen ist – doppelt so stark wie der globale Mittelwert. In den vergangenen Jahren habe sich die Erwärmung noch beschleunigt, warnen die Autoren.

„Dieser Atlas liefert wichtige Beweise, die Tadschikistan bei der Bekämpfung der Folgen des Klimawandels unterstützen“, sagte Arnold Kreilhuber, Direktor des UNEP-Regionalbüros für Europa.

Die Folgen sind schon jetzt gravierend: Von den insgesamt 14.000 Gletschern des Landes sind mehr als 1.000 verschwunden, und die kleineren Eisfelder könnten in den kommenden 30 bis 40 Jahren gänzlich tauen. Im Pamir-Gebirge erwarten Forscher bis 2050 einen weiteren Temperaturanstieg von zwei Grad. Besonders bedrohlich ist der prognostizierte Rückgang der Gletschermasse in den großen Flusseinzugsgebieten.

Das UNEP warnt, dass die Einzugsgebiete von Pjanj und Wachsch bis zur Mitte des Jahrhunderts bis zu drei Viertel ihrer Gletscherbedeckung verlieren könnten. Das hätte fatale Folgen: Tadschikistans Stromversorgung hängt zu 95 Prozent von Wasserkraft ab. Im Amudarja-Einzugsgebiet rechnet der Bericht mit einem Abflussrückgang von rund 30 Prozent – ein Risiko für Millionen Menschen in Tadschikistan und in den Anrainerstaaten.

Zusätzlich verschärfen Naturkatastrophen die Lage. Zwischen 2020 und 2023 verzeichnete Tadschikistan 1.826 Ereignisse wie Überschwemmungen, Schlammlawinen und Lawinenabgänge. Sie forderten mehr als 100 Todesopfer und verursachten Schäden von über 30 Millionen Dollar.

„Durch die Visualisierung dieser Auswirkungen befähigt der Atlas Entscheidungsträger, Ressourcen zu schützen, Katastrophenrisiken zu senken und nachhaltige Entwicklung anzustreben“, so Kreilhuber.

Die Studie hebt integriertes Wassermanagement und grenzüberschreitende Kooperation als entscheidend hervor. „Wasser ist einer der verletzlichsten Sektoren Tadschikistans“, betont UNEP – nur ein regionaler Dialog könne langfristig Versorgungssicherheit gewährleisten.

Trotz aller Risiken gibt es Fortschritte: Die Schutzgebiete des Landes sind von 3,6 Prozent der Landesfläche im Jahr 1991 auf 21,6 Prozent im Jahr 2023 gewachsen. Heute existieren vier Reservate, 13 Naturschutzgebiete und drei Nationalparks. Damit stärkt Tadschikistan seine Rolle als Biodiversitäts-Hotspot in Zentralasien.


Dieser Artikel erscheint in Zusammenarbeit mit unserem Kooperationspartner bne Intellinews

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