Autor: Thorsten Gutmann

Als ich in Berlin studierte, wollte ich mein Russisch verbessern – also suchte ich Tandempartner. Es waren mehrere über die Jahre, aber eine junge Frau aus Kasachstan ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Sie erzählte mir von einer Welt, die ich so nicht kannte: Von Beshbarmak, dem Nationalgericht aus Pferdefleisch, das man mit den Fingern isst. Von Hochzeitsritualen, bei denen früher die Braut auf einem Pferd „entführt“ wurde – nicht wirklich, aber symbolisch, als traditionelles Spiel. Es klang archaisch, stolz, faszinierend.
Damals wusste ich nicht, dass mich mein Leben einmal so eng an Zentralasien binden würde.
Später war ich viele Jahre beruflich in Russland tätig – und lernte dort meine Frau kennen: eine Russin, geboren in Almaty, aufgewachsen in Astana. Zwei Städte mit völlig unterschiedlichem Charakter: Almaty ist grün, geschichtsträchtig, von Bergen eingerahmt. Astana dagegen ist geradlinig geplant, kühn gebaut, eine futuristische Vision mitten in der Steppe.
Und doch hat es bis 2022 gedauert, bis ich selbst zum ersten Mal nach Kasachstan reiste. Ich erinnere mich gut an die Fahrt vom Flughafen ins Zentrum von Astana – breite Alleen, monumentale Gebäude, dazwischen Glastürme mit goldener Kuppel, Plattenbauten aus Sowjetzeiten und dazwischen futuristische Architektur, wie aus einer anderen Zeitrechnung.
Diese Gleichzeitigkeit von Vergangenheit und Zukunft – sie prägt dieses Land.
Kasachstan heute: Rohstoffreich, strategisch wichtig, unterschätzt
Schon vorher war mir Kasachstan als Investor aufgefallen: Indexfonds, Rohstofftitel, starke Renditen. Das Land ist reich an natürlichen Ressourcen: Erdöl, Erdgas, Uran, Chrom, Kupfer, Zink, Mangan, Bauxit und Seltene Erden. Es ist einer der wichtigsten Uranlieferanten der Welt – Frankreichs Atomindustrie ist davon abhängig.
Doch Kasachstan ist mehr als nur ein Rohstofflieferant. Es liegt eingebettet zwischen Russland und China, ist Teil der Neuen Seidenstraße, Mitglied der Eurasischen Wirtschaftsunion – und sucht gleichzeitig gezielt Nähe zu Europa und den USA.
In meiner nächsten Kolumne werde ich zeigen, welche Länder tatsächlich zu den größten Investoren in Kasachstan gehören – und warum gerade das aus deutscher Sicht hochinteressant ist.
Deutsche Firmen: Viel Potenzial, wenig Strategie
Denn Zentralasien insgesamt fasziniert mich seither – nicht nur Kasachstan, sondern auch Usbekistan, Kirgistan, Tadschikistan, Turkmenistan. Usbekistan zum Beispiel beeindruckt mit seinen alten Städten – Samarkand, Buchara –, mit Kultur, Farben, Geschichte. Ich hoffe, diese Länder bald selbst bereisen zu dürfen.
Und genau deshalb beginne ich heute mit meiner neuen Kolumne Steppe Ahead hier auf Ostwirtschaft.de.
Sie wird ab sofort regelmäßig erscheinen – mit persönlichem Blick, strategischem Interesse und journalistischer Neugier. Es geht um Wirtschaft, Investitionen, geopolitische Entwicklungen – kurzum: um die Chancen und Herausforderungen in einer Region, die immer wichtiger wird.
Ja, deutsche Unternehmen sind in Zentralasien aktiv – im Maschinenbau, in der Umwelttechnik, der Chemie, im Energiemanagement, in der Logistik und im dualen Ausbildungsexport. Aber es fehlt an strategischer Tiefe. Während andere Länder – etwa die USA, Frankreich oder die Niederlande – gezielt investieren, wirkt Deutschland oft zögerlich. Dabei ist es gerade jetzt an der Zeit, neue Partnerschaften zu schließen. Russland als Markt ist für viele Unternehmen weggefallen. Zentralasien kann und sollte eine der Alternativen sein.
Denn die Potenziale sind enorm:
- Kooperation bei der Rohstoffsicherung,
- Energieprojekte im Bereich Erneuerbare und Wasserstoff,
- digitale Infrastrukturentwicklung,
- Bildungskooperationen und Fachkräfteprogramme.
Viele deutsche Unternehmen entdecken bereits das Potenzial – ganz praktisch. Der Europa-Park in Rust, bei mir um die Ecke, beschäftigt gezielt Mitarbeiter aus Kasachstan und Usbekistan. Warum? Weil sie gut ausgebildet, belastbar, zuverlässig sind – und motiviert, neue Wege zu gehen.

