Kasachstan gilt international vor allem als führender Uranproduzent und einer der zehn größten Ölexporteure der Welt. Für viele Nachbarstaaten ist jedoch ein anderer Aspekt mindestens ebenso bedeutend: Das Land ist ein zentraler und stark wachsender Getreideexporteur – und dehnt seine Absatzmärkte inzwischen auf drei Kontinente aus.
Neben seinen traditionellen Abnehmerländern in Zentralasien erschließt Kasachstan zunehmend neue Märkte in Nordafrika, dem Nahen Osten, Europa und Ostasien. Die Regierung sieht darin einen strategischen Schritt, um die Abhängigkeit von einzelnen Regionen zu verringern.
Rekordernte 2025
Landwirtschaftsminister Aidarbek Saparov erklärte am 4. November in einer Regierungssitzung, dass die diesjährige Ernte rund 27,1 Millionen Tonnen betrug – mehr als der bisherige Rekord von 26,7 Millionen Tonnen im Vorjahr.
„Dieses Jahr war nicht nur für Getreide ein Rekordjahr, sondern auch für stark nachgefragte Kulturen wie Hülsenfrüchte und Ölsaaten“, sagte Saparov. Weizen macht mit 70 bis 80 Prozent den Großteil der Produktion aus, gefolgt von Gerste (10–12 Prozent). Weitere angebaut werden Mais, Reis, Hafer, Buchweizen und Roggen. Die diesjährige Weizenernte lag bei 20,3 Millionen Tonnen, Gerste bei 4 Millionen Tonnen.
Steigende Exporte in der Region
Zwischen September 2024 und April 2025 nahmen die Getreidelieferungen in die Nachbarländer im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 58 Prozent zu.
- Usbekistan importierte 2,7 Millionen Tonnen (+29,7 %).
- Kirgisistan bezog 181.000 Tonnen, nahezu doppelt so viel wie im Vorjahr.
- Tadschikistan steigerte seine Käufe um 51 Prozent auf 1,1 Millionen Tonnen.
Besonders stark profitiert das krisengeplagte Afghanistan, das 2024/25 rund 270.000 Tonnen Getreide aus Kasachstan erhielt. Laut Wirtschaftsminister Serik Zhumangarin haben sich die Weizenexporte nach Afghanistan in den ersten acht Monaten 2025 nahezu verdreifacht; die Exporte von Sonnenblumenöl sogar vervielfacht.
Der Iran, immer wieder von schweren Dürreperioden betroffen, ist stark auf Weizenimporte angewiesen. Kasachstan liefert seit Jahren kontinuierlich:
- 2021: 555.200 Tonnen
- 2022: 560.000 Tonnen
- 2023: nur 66.600 Tonnen aufgrund guter Regenfälle
- 2024: wieder 427.500 Tonnen
Im August erklärte Ataollah Hashemi, Vorsitzender des iranischen Weizenbauernverbands, dass das Land bis März 2026 rund 4,5 Millionen Tonnen Weizen importieren müsse. Bei einem Treffen im Januar äußerte der iranische Investor Fawakeh Trading Interesse an bis zu 3 Millionen Tonnen kasachischen Weizens – auch wenn Experten bezweifeln, dass diese Menge tatsächlich bestellt wird.
China bleibt wichtiger Abnehmer
Auch China zählt zu den bedeutenden Kunden. 2023 exportierte Kasachstan rund 2,2 Millionen Tonnen Agrarprodukte (Weizen, Gerste, Soja, Leinsamen, Sonnenblumenkerne). Präsident Kassym-Jomart Tokajew kündigte im Juli 2024 an, die Weizenexporte nach China auf 2 Millionen Tonnen steigern zu wollen.
Doch bereits einen Monat später führte China neue Zölle ein – die Lieferungen sanken im restlichen Jahr auf 1,4 Millionen Tonnen.
Getreide geht zunehmend auch an weiter entfernte Abnehmer:
- Aserbaidschan erhielt zwischen September 2024 und April 2025 rund 569.000 Tonnen – mehr als doppelt so viel wie im Vorjahr.
- Armenien und Georgien werden ebenfalls beliefert; Lieferungen nach Armenien sind die ersten seit dem Zerfall der Sowjetunion.
Kasachstan exportiert zudem Hartweizen in die Türkei und nach Italien. Zwischen September 2024 und Mai 2025 gingen rund 355.000 Tonnen nach Italien – ideal für die Pastaproduktion. Weitere Exporte gingen in die Vereinigten Arabischen Emirate, nach Belgien, Portugal, Norwegen, Vietnam sowie nach Marokko und Algerien.
Ausbau der Transportlogistik
Neben Rekordernten trugen vor allem verbesserte Transportwege zur Steigerung der Exporte bei. Seit dem Beginn des Ukrainekriegs 2022 investiert Kasachstan gemeinsam mit internationalen Partnern massiv in Infrastruktur:
- Ausbau des Mittleren Korridors (TITR)
- Modernisierung des Schienennetzes Richtung Afghanistan, Iran und Südkaukasus
- Ausbau der Häfen Aktau und Kuryk
- Bau eines großen Getreideterminals in Kuryk (Kapazität: 1,5 Mio. Tonnen jährlich)
In der vergangenen Saison stiegen die Exporte auf 13,4 Millionen Tonnen – ein Plus von 47 Prozent.
Ein Agrarsektor im Zeichen des Klimawandels
Der Klimawandel bleibt jedoch ein Risiko. Nach den schweren Dürren 2021 führten die verheerenden Überschwemmungen Anfang 2024 dazu, dass viele Stauseen und ausgetrocknete Seen wieder gefüllt wurden – ein kurzfristiger Vorteil in einer der am stärksten vom Klimawandel betroffenen Weltregionen.
Für die kommende Saison plant Kasachstan erneut hohe Exportvolumen. Laut Minister Saparov wurden bereits 2,2 Millionen Tonnen der neuen Ernte ausgeführt – 21 Prozent mehr als im Vorjahr.
Kasachstan bleibt ein Schlüsselakteur auf den globalen Energie- und Rohstoffmärkten. Doch für viele Länder ist kasachischer Weizen inzwischen mindestens ebenso essenziell – er landet täglich auf Tellern in Zentralasien, im Nahen Osten, in Afrika und Europa.
Dieser Artikel entstand in Kooperation mit unserem Partner bne intelliNews

