Müll als Motor: Wie Usbekistan mit Riad und Paris zur Modellregion für Kreislaufwirtschaft wird

Steppe Ahead Kolumne von Thorsten Gutmann

Kolumne „Steppe Ahead“

Autor: Thorsten Gutmann

Thorsten Gutmann Zentralasien

Usbekistan hat ein bedeutendes Kooperationsabkommen mit Saudi-Arabiens Vision International Investment Company (VIIC) und dem französischen Umwelttechnologie-Konzern Suez International unterzeichnet. Ziel des Projekts: eine moderne, dreistufige Infrastruktur zur Behandlung gefährlicher Industrieabfälle aufzubauen – mit einem Investitionsvolumen von 78 Millionen US-Dollar.

Die erste Projektphase sieht den Bau neuer Deponien, Stabilisierungseinrichtungen und Transferstationen vor. In der zweiten Phase werden Pilotanlagen zur thermischen Behandlung und zur Herstellung von Refuse-Derived Fuel (RDF) – also Brennstoff aus Abfällen – geplant und getestet. Die dritte Phase umfasst den Aufbau und Betrieb eines vollwertigen RDF- und Wärmeverwertungszentrums.

Das Abkommen wurde am 22. Juni 2025 vom stellvertretenden Minister für Umwelt und Klimaschutz, Jusipbek Kazbekov, VIIC-Entwicklungsdirektor Kapil Lalvani und dem Regionaldirektor von Suez für Europa und Zentralasien, Paul Bourdillon, unterzeichnet. Alle Partner sehen darin nicht nur ein Umweltprojekt, sondern eine langfristige strategische Zusammenarbeit.

Internationale Partner, klare Interessen

Vision International Investment, gegründet 2002 in Saudi-Arabien, verwaltet rund 96 Milliarden US-Dollar und investiert weltweit in Energie, Infrastruktur und öffentlich-private Partnerschaften. Suez International bringt mehr als 160 Jahre Erfahrung in der Wasser- und Abfallwirtschaft ein – inklusive Spezialisierung auf gefährliche Industrieabfälle. Beide Partner verfügen über globale Netzwerke und technologische Expertise, die nun in Usbekistan zum Einsatz kommen.

Eine Branche im Aufbruch – mit vielen Baustellen

Usbekistan steht beim Thema Recycling vor einem strukturellen Wandel – und vor erheblichen Herausforderungen. Zwar wurden 2024 rund 14,8 Millionen Tonnen Haushaltsabfälle produziert, aber nur gut 6 Prozent davon recycelt. Knapp 300 Recyclingunternehmen verarbeiteten etwa 1,8 Millionen Tonnen – das Potenzial ist bei Weitem nicht ausgeschöpft.

Besonders kritisch ist die Situation bei Plastik: Kunststoff macht über 10 Prozent des landesweiten Müllaufkommens aus – Tendenz steigend. Der Verbrauch hat sich seit 2013 mehr als verdoppelt, insbesondere in den Branchen Verpackung, Bau und Transport. 2022 fielen rund 250.000 Tonnen Plastikmüll an, über 190.000 davon allein aus Verpackungen. Die Recyclingkapazitäten sind jedoch begrenzt, vor allem für gängige Kunststoffe wie Polyethylen, Polypropylen und PET (Polyethylenterephthalat). Es fehlt an Sortieranlagen, Know-how – und vielfach am Bewusstsein in der Bevölkerung.

Dabei entstehen jährlich Hunderttausende Tonnen an Papier-, Glas- und Textilabfällen, die zumindest teilweise bereits durch spezialisierte Betriebe aufbereitet werden. Dennoch bleibt der Aufbau moderner Sortier- und Verwertungsinfrastruktur eine Priorität der Regierung. Bis 2025 sollen laut Behördenangaben 40 neue Sortieranlagen, 437 Sammelstellen und spezielle Einrichtungen für medizinische Abfälle entstehen. Das Ziel: eine Recyclingquote von 50 Prozent.

Teil einer umfassenden Umweltagenda

Das Abkommen mit Suez und VIIC ist eingebettet in eine breiter angelegte umweltpolitische Neuausrichtung. Bereits 2022 wurde in der Region Karakalpakstan im Westen Usbekistans eine erste RDF-Anlage mit einer Jahreskapazität von 12.000 Tonnen eröffnet. Laut einem Präsidialerlass sollen bis 2030 die Anzahl herkömmlicher Mülldeponien halbiert und ab 2026 moderne, zentralisierte Anlagen errichtet werden.

Auch international sucht Usbekistan aktiv die Zusammenarbeit: Mit Unterstützung der Europäischen Union (EU) und der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) wurde 2024 ein Programm zur Reduzierung von Pestiziden und zur Sanierung ehemaliger Agrarflächen gestartet – insbesondere auf früheren sowjetischen Luftsprühfeldern, die seit Jahrzehnten nicht mehr erfasst wurden.

Ein weiteres Projekt mit der Unterstützung des Sekretariats der Basler, Rotterdamer und Stockholmer Übereinkommen (BRS-Konventionen) befasst sich mit Plastikmüll in abgelegenen und gebirgigen Regionen des Landes. Dabei wurde erstmals eine landesweite Bestandsaufnahme zum Plastikkonsum, zur Müllentstehung und zu den aktuellen Entsorgungswegen durchgeführt – ein wichtiger Schritt für die Entwicklung gezielter Strategien.

Umweltpolitik als geopolitisches Signal

Die Partnerschaft mit Akteuren aus Riad und Paris sendet ein deutliches Signal: Umweltpolitik wird zunehmend zu einem außenpolitischen Instrument. Usbekistan positioniert sich in der Region als verlässlicher Partner für nachhaltige Entwicklung – technologisch ambitioniert, international anschlussfähig und politisch kalkuliert.

Was früher als nationales Infrastrukturproblem galt, wird nun als Teil globaler Zukunftsmärkte verstanden. Und wer heute in Tashkent in Recycling investiert, baut morgen an der geopolitischen Glaubwürdigkeit eines ganzen Landes.

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